Keine Normalität nach SEK-Einsatz
Der festgenommene Terrorverdächtige bestreitet Kontakte zum „Islamischen Staat“. Die Nachbarn sind verunsichert.
Weißenberg. Die Nachbarn des wegen Terrorverdachts in Neuss festgenommenen 21 Jahre alten Mannes sind besorgt. Am liebsten würden sie nichts sagen, nicht reden, zur Tagesordnung übergehen. Aber das geht nicht: Zu sehr wirkt der Samstagabend nach, als ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Weißenberg gestürmt hat. Es herrscht Verunsicherung. Nachbar Andreas Egerland (47) beschreibt die beiden streng gläubigen Muslime als „sehr zurückhalten“. Als gefährlich habe er sie nicht empfunden. Allerdings sind sie im vergangenen Jahr bereits ins Visier der Justiz geraten: Das Amtsgericht Neuss hatte die junge Frau zu zwei Wochen Jugendarrest verurteilt. Sie soll zwei Polizisten bei einer Kontrolle als „Nazis“ beschimpft haben.
Jetzt sitzt ihr Partner in Untersuchungshaft. Er steht im Verdacht, einem in Wien gefassten 17-jährigen Terrorverdächtigen bei Vorbereitungen für einen Anschlag in Österreich geholfen zu haben. Am Sonntag wurde Haftbefehl gegen den Neusser erlassen. Bei der Wohnungsdurchsuchung wurden laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf zwar keine Hinweise auf eine in Kürze geplante Terrorattacke gefunden. Auch Waffen oder Sprengstoff wurden nicht entdeckt. Allerdings habe der 21-Jährige in einer Vernehmung eingeräumt, dass der Mann aus Österreich ihn Ende des vergangenen Jahres für zwei Wochen besucht habe, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Neusser leugnet jedoch, sich mit dem Islamischen Staat beschäftigt zu haben.
In Weißenberg wird derweil über ein Video diskutiert, das im vergangenen Jahr etwa 300 Meter von dem Mehrfamilienhaus, in dem der Terrorverdächtige wohnt, aufgenommen wurde. Es zeigt einen Mann und eine Frau mit einer schwarzen Fahne. Anwohner sind der Meinung, es handle sich um die Fahne des IS. Die Polizei kann die Echtheit des Videos derzeit nicht bestätigen. Der Staatsschutz prüft die Aufnahmen. Noch unklar ist, ob die Polizei das Video früher hätte sichten können. Ein ehemaliger Nachbar, der das Video Ende Mai über Soziale Medien erhalten haben will, soll sich damals bei der Neusser Polizei gemeldet haben. Später habe er bei der nur zeitweise besetzten Polizeiwache am Rathaus vor verschlossener Tür gestanden und das Thema nicht weiter verfolgt.
Daniela Dässel, stellvertretende Polizeisprecherin, kann den telefonischen Erstkontakt nach fast acht Monaten nicht mehr überprüfen. Die Polizeisprecherin rät aber grundsätzlich, verdächtige Wahrnehmungen zu melden: „Bei aktuellen, verdächtigen Beobachtungen werden Beamte des Streifendienstes sich dann ein Bild vor Ort von der Situation machen.“ Bei Hinweisen aus der Bürgerschaft gehe es zum Beispiel um öffentlich gezeigte Fahnen oder verteilte Datenträger mit Koraninhalten. „In all diesen Fällen prüfte der Staatsschutz, ob eine strafbare Handlung vorliegt“, sagt Dässel.