Kneipensterben: Die Ratsstube schließt zum Monatsende

Thorsten Junker macht nach mehr als zehn Jahren Schluss.

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Grevenbroich. „Wenn es am schönsten ist, sollte man gehen“, zitiert Thorsten Junker ein geläufiges Sprichwort. In der praktischen Umsetzung bedeutet das für den Kneipier: Nach mehr als zehn Jahren ist für ihn in der Ratsstube Schluss. „Mit dem Tanz in den Mai ist dann alles vorbei“, sagt er hinsichtlich seines Daseins als Gastronom. „Es ist schlicht eine zu hohe Doppelbelastung.“ Hauptberuflich ist der 49-Jährige im Kreiskrankenhaus St. Elisabeth als Pfleger beschäftigt. Mit der bevorstehenden Schließung macht eine der letzten traditionellen Kneipen in Grevenbroich dicht. Zuletzt trauerten Traditionalisten dem Ende der als Institution gefeierten „Hanse-Stube“ Auf der Schanze sowie dem „Flönz“ an der Kölner Straße nach.

„Das hängt mit dem veränderten Freizeitverhalten der Gäste zusammen“, spekuliert Robert Jordan, städtischer Marketing-Fachmann. Früher machten Leute nach Dienstschluss am Tresen ihres Vertrauens auf ein Feierabendbier halt. „Heute reichen solche einfachen Angebote nicht mehr“. Interieure der Lokale müssen „optisch ansprechend“ sein, „moderne Konzepte sind gefragt“, was das Angebot von Getränken plus Essen angeht. Das Bistro „Fräuleinswunder“ sei dafür ein gutes Beispiel — „hier werden mutig Trends umgesetzt“, sagt Jordan über regionale Ausrichtungen. Mut sei überhaupt wichtig, wer jetzt als Kneipier tätig sein will. „Eigene Ideen und Konzepte punkten“, oder bewährte Ideen, wie Systemgastronomie a la „Café Extrablatt“. „Wir sind schon immer so ein richtiger Schlagerschuppen gewesen“, sagt Thorsten Junker über das von ihm geführte Lokal. Es war außerdem regelmäßiger Treffpunkt des Schützenvereins „Frisch voran“ aus der Südstadt — und von zwei Schock-Clubs. „Schocken“ ist der Name eines beliebten Würfelspiels.

In schöner Erinnerung wird die Ratsstube „natürlich wegen der vielen Feste“ bleiben, mutmaßt Thorsten Junker. Jahreszeitlich bedingt gab es dort Feierlichkeiten zu Ostern, Nikolaus und Weihnachten. Gefeiert wurden Motto-Veranstaltungen parallel zum Christopher Street Day als „Pink Day“, „da waren alle in Zartrosé angezogen“, im Sinne der 80er Jahre oder als Beach-Party: „Wir stellten vor das Lokal einen aufpumpbaren Pool. Und den füllten wir mit Sand. Das waren die goldenen Zeiten, aber durch das Nichtraucherschutzgesetz hatten wir auch Umsatzeinbußen.“

Ein letztes Mal soll Party gemacht werden. „Am 30. April feiern wir den Tanz in den Mai“, nach allen Regeln der Kunst werden Monatswechsel und Abschied gefeiert, ab 19 Uhr geht es los. Das Ende ist offen. Ebenso wie die Fortführung des Lokals. Dem Vernehmen nach gibt es einen Nachfolger für die Ratsstube. Ob erst renoviert wird, in welchem Umfang das geschieht, mit welchem neuen Gastro-Konzept gestartet wird und wann Wiedereröffnung ist, ist unklar. Vielleicht ist einfach für immer Schluss.