Kraftwerk Frimmersdorf geht bald vom Netz
Das Kohlekraftwerk wird aber noch einige Zeit als Reserve betriebsbereit gehalten.
Grevenbroich/Jüchen. Eine Ära geht in der Nacht auf den ersten Oktober zu Ende, wenn das Kohlekraftwerk Frimmersdorf vom Netz genommen wird. Später wird auch in Neurath ein Block in den vorläufigen „Dornröschenschlaf“ versetzt, wie es RWE-Vorstandsvorsitzender Matthias Hartung gestern bei der Jahrespressekonferenz umschrieb. Die Kraftwerke müssen aber als Reserve für die Stromversorgungssicherheit auch jederzeit „aus dem Dornröschenschlaf“ wieder „wach geküßt“ werden können, will heißen: Wenn die Netzwerkbetreiber bei extremen Wetterlagen Alarm geben, müssten die vom Netz genommenen Kraftwerke binnen zehn Tagen hochgefahren werden können.
Dazu muss laut Braunkohlevorstand ein Mitarbeiterteam aus den sonstigen Kohlekraftwerken bereitgehalten werden. Auch in Frimmersdorf selbst und später in Neurath müssten zudem Mitarbeiter verbleiben, die die beweglichen Teile wie Pumpen, Regler und Turbosätze gängig erhalten. Auch müsse dafür gesorgt werden, dass die Rohre in den Wasser-Dampf- und Kühlkreisläufen nicht rosteten. Braunkohlevorstand Lars Kulik weiß aber auch, dass die „Kohle-Dornröschen“ nicht für alle Zeiten wieder wach geküsst werden. Langfristig sei der Rückbau (Abriss) der Kraftwerke in Grevenbroich geplant, mit dem 2022 begonnen werde: „Der Rückbau wird sich aber weit in die 2020er Jahre hineinziehen“, prognostiziert Kulik. Die Anschlussplanung für das dann ehemalige Kraftwerksgelände in Frimmersdorf sei die Schaffung eines neuen Gewerbe- und Industriegebietes. Baurechtlich und vom Flächenplan her seien die Kraftwerksgrundstücke dafür bereits vorgesehen. Die geplante Stilllegung von insgesamt fünf Kohlekraftwerksblöcken und die bis zum Jahr 2030 angesteuerte Reduzierung von 40 bis 50 Prozent an CO2-Ausstoß geht auch einher mit Personalabbau. So werden in allen drei Kohletagebaustätten insgesamt 900 Arbeitskräfte und im Gesamtkohlebetrieb von RWE bis 2022 insgesamt 1500 Mitarbeiter eingespart.
RWE-Vorstand Hartung betonte aber, dies könne wegen des relativ hohen Alters der Belegschaft sozialverträglich (durch Ruhestandsregelungen) abgewickelt werden. Auf der anderen Seite werde RWE im nächsten Jahr 35 junge Leute mehr ausbilden als in den Vorjahren. Und für 2019 seien alleine im Rheinischen Revier 360 unbefristete Neueinstellungen, zum großen Teil für die eigenen Auszubildenden, geplant. Im Jahr 2020 werde RWE gesamt dann einen Stamm von 8000 Mitarbeitern haben.
Während der Kohletagebau weiter nach Westen verlegt wird, hat sich RWE zur großflächigen Rekultivierung verpflichtet. Die Vorstände kennen allerdings die Sorgen, dass für die Spätfolgen des Tagebaus der Konzern aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung eines Tages nicht mehr bereitstehen könnte. Denn nicht nur der politischen Entwicklung unter dem Schlagwort „Energiewende“, auch einem fortschreitenden Strompreisverfall muss sich RWE stellen. Der Strompreis sei von 35 Euro je Megawattstunde im Jahr 2016 auf 31 Euro 2017 gesunken und werde 2018 nur noch bei 27 Euro liegen, so Hartung.
Er könne die Sorgen der Bürger, was die Tagebaufolgekosten anbelange, nachvollziehen, gab der RWE-Chef zu. Aber der Konzern verfüge über jahrzehntelange Erfahrung in der Rekultivierung. Man wisse, was zu tun sei und vor allem auch, was es koste. Zudem sei RWE in der sogenannten „Organhaftung“ für die Tagebaufolgekosten, die im „Volksmund“ gerne auch als „Ewigkeitskosten“ bezeichnet werden. Der Gesamtkonzern hafte mit seinem kompletten Vermögen und habe sich zu den entsprechenden Kostenrückstellungen für die Wiederherstellung nach Aufgabe des Tagebaus verpflichtet.
Allerdings musste Hartung auch einräumen, dass die Höhe der Rückstellungen naturgemäß auch vom wirtschaftlichen Erfolg und von der „Zukunft der Kohle“ abhängig sei. Er verwies aber auf drei unabhängige Gutachten zum Themenkomplex Rekultivierung und Tagebaufolgekosten, die der Bergbaubehörde jetzt zur Veröffentlichung vorgelegt worden seien.