Leerstand auf dem Lessingplatz nimmt zu
Das Bild des Areals wird immer trister. Am Samstag schließt auch noch die Buchhandlung.
Norf. Hildegard Müller gehörte immer zu den Fürsprechern für einen neuen Supermarkt am Lessingplatz. „Die Geschäfte brauchen mehr Publikumsverkehr“, hatte sie 2013 im Bezirksausschuss argumentiert und der Bürgerinitiative „Pro Realschulwiese“ die Stirn geboten, die gegen den Neubau protestierte. Den Baubeginn im Sommer 2015 kommentierte sie eindringlich: „Wenn der Supermarkt nicht kommt, ist der Platz tot.“ Jetzt gibt sie auf. „Es kam alles viel zu spät.“
„Altersbedingt“ und „mangels Nachfolger“, so lässt Müller ihre Kunden per Aushang wissen, schließt sie nach fast 40 Jahren zum Ende dieser Woche ihre „Neusser Buchhandlung“. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Es gebe auch viele andere Gründe.
Einer könnte branchenspezifisch sein, vermutet der Stadtverordnete und „Müller-Kunde“ Michael Klinkicht (Grüne). Aber der Vorsitzende des Bezirksausschusses muss auch zugeben: Der Belebungseffekt, den man sich vom neuen Supermarkt erhofft hat, ist noch nicht eingetreten. „Der Leerstand ist noch nicht behoben“, sagt Klinkicht, schiebt aber gleich nach: „Den Supermarkt brauchten wir sowieso.“ Und weil der Lessingplatz „das“ Nahversorgungszentrum in Norf ist, sei der Standort richtig.
Schwierig war und ist er trotzdem, sagt Frank Wolters vom Amt für Wirtschaftsförderung. Man müsse sich fragen, ob die Zahl der kleinen Ladenlokale rund um den Platz Sinn macht, sagt Wolters, der auch etwas Aufbruchstimmung vermisst. Hausbesitzer, mit denen die Stadt über die Unterbringung der aus dem alten Norfer Rathaus zeitweise ausquartierten Verwaltungsnebenstelle oder des Polizeipostens verhandeln wollte, meldeten sich schlicht nicht zurück, zählt er auf. Und die Teilnehmerzahl der Workshops, in denen die Stadt seit Herbst vergangenen Jahres ein Gestaltungskonzept für den Lessingplatz erarbeiten will, sei immer „sehr überschaubar“, sagt Wolters.
Klaus Sellschopp will nicht ganz so schwarz malen. „Es hat sich etwas getan und zwar erheblich“, sagt der Hausbesitzer am Lessingplatz, der dort als Logopäde arbeitet. Er beobachtet mehr Menschen auf dem Platz und hört auch von Interessenten, die „ab und zu nach Ladenlokalen fragen“. Die Grundstimmung sei erheblich besser geworden, sagt Sellschopp, der „zündende Funke“ aber fehlt auch ihm noch. Ein Kosmetikstudio und ein Versicherungsbüro etwa hätten sich angesiedelt, nachdem die Entscheidung zum Supermarktbau gefallen sei, sagt er. Aber seit Rewe seine Türen geöffnet hat, wurde kein Ladenlokal neu vermietet.
Die Wechselwirkung zwischen Rewe und Flaniermeile funktioniere noch nicht, sagt Wolters. Dem kann Siegbert Mäule, Inhaber des Küchenstudios Helten am Ort, nur zustimmen: „Frequenz bringt nur der Wochenmarkt am Freitag“, sagt er. Für Müller ist all das kein Wunder. „Man kann nichts, was über Jahrzehnte vernachlässigt wurde, in wenigen Monaten retten. Ich kann nur hoffen, dass bald was passiert.“