Lesestoff rund um die Uhr
Am Rathaus in Rommerskirchen können Bürger jetzt jederzeit Bücher abgeben oder kostenlos mitnehmen.
Rhein-Kreis Neuss. Verstohlene Blicke aus dem Auto oder von der anderen Straßenseite streifen den schwarzen Kasten vor dem Rathaus.
Er sieht aus wie eine angemalte britische Telefonzelle. Kinder kommen näher und wollen wissen, was es mit diesem Schrank aus Stahl und Sicherheitsglas auf sich hat. Bürgermeister Albert Glöckner war gestern dann der Erste, der den neuen öffentlichen Bücherschrank testen durfte.
Gemeinsam mit Vertretern von RWE und dem Vorsitzenden der Bürgerstiftung, Eckart Rozinsky, bestückte er den vom Energiekonzern mit 2500 Euro gesponserten Schrank. Rund 100 Bücher sind jetzt eingeräumt, weitere können und sollen einfach dazugestellt werden.
Direkt vor dem Rathaus an der Bahnstraße und damit an einem der belebtesten Plätze der Gemeinde stellte Architekt Hans-Jürgen Greve den zwei Meter hohen und 60 Zentimeter breiten von ihm konzipierten Schrank auf. Er bietet Platz für 250 Bücher, die von jedem Bürger kostenlos ausgeliehen und wieder unbürokratisch zurückgestellt werden können. So finde jedes gebrauchte, aber gut erhaltene Buch einen neuen Leser.
„Wir wollen mit diesem Schrank zum Papierlesen animieren“, sagt Peter Mathies von RWE-Westnetz. Als Konkurrenz zu den kirchlichen Büchereien sieht der Bürgermeister den Schrank nicht: „Das kann dieses Konzept gar nicht leisten“, sagte Glöckner. Auch aus seiner eigenen Hausbibliothek steuerte er einige Buchexemplare bei, andere sammelte die Bürgerstiftung bei Freunden und Familienmitgliedern ein.
Die Bürgerstiftung übernahm auch die Patenschaft für diesen Schrank und wird in unregelmäßigen Abständen nach dem Rechten sehen, den Schrank aufräumen, sauber halten und nicht passende Literatur entfernen, berichtete Eckart Rozinsky. Das scheint auch notwendig, da auch Kinder sich dort mit Lesestoff eindecken sollen. Ein eigenes Kinderfach ist extra gekennzeichnet.
Die Idee, Bücherschränke an öffentlichen Plätzen aufzustellen, gibt es seit Ende der 1990er Jahre. Im Kreisgebiet ist es der zweite vom RWE gesponserte Schrank, in Korschenbroich betreut die Bürgerstiftung einen weiteren. Warum noch nicht häufiger im Kreis ein solches Projekt umgesetzt wurde, hat offenbar verschiedene Gründe.
So wollte die Stadt Kaarst etwa einen solchen Schrank aufstellen, scheiterte jedoch am Widerstand einiger Lokalpolitiker. Diese befürworteten ein zwar gesponsertes Modell, jedoch ohne Firmenlogo. Und auch in Neuss habe es ähnliche Sonderwünsche seitens der Politik gegeben, was die Einrichtung eines öffentlichen Bücherschranks auch dort bislang verhinderte, erklärte Greve.