Mitschüler wollen, dass Sher Ali (11) mit seiner Familie bleiben darf
Der afghanische Flüchtling besucht seit Ende 2016 die Dormagener Erich-Kästner-Grundschule, ist dort Klassensprecher. Sein Vater soll nun abgeschoben werden. Sher Ali könnte bleiben — aber nur allein. Mitschüler haben 300 Unterschriften für den Verbleib der Familie gesammelt.
Dormagen. Es ist ein Schicksal, das berührt. Der Vater des elf Jahre alten Sher Ali hat den Bescheid über die Ausweisung für sich und seinen Sohn erhalten. Zwar hat der Afghane einen Anwalt genommen und klagt beim Verwaltungsgericht dagegen. Doch seine Chancen stehen schlecht.
Die Familie — die Mutter versteckt sich in der Heimat, nachdem ihr die Flucht nicht gelungen ist — hat beraten und beschlossen, dass Sher Ali alleine in Dormagen bleiben soll. „Das ist eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera“, sagt Rechtsanwalt Jeremias Mameghani aus Düsseldorf, der die Familie vertritt. Er rechnet damit, dass innerhalb von zwölf bis maximal 18 Monaten über die Klage entschieden wird.
Mitschüler und Eltern kämpfen für den Verbleib der Familie in Deutschland. Die Kinder haben mehr als 300 Unterschriften gesammelt, die sie morgen im Rathaus Bürgermeister Erik Lierenfeld übergeben wollen.
Vor zwei Jahren ist Sher Ali mit seinem Vater, einem ehemaligen Polizisten, in Deutschland angekommen. Sie wurden von der Mutter und zwei weiteren Kindern auf der Flucht getrennt, die wieder umkehren mussten. Seit November 2016 besucht der Elfjährige die Erich-Kästner-Grundschule in Dormagen-Mitte. Er habe sich ausgesprochen gut entwickelt, lobt Rektorin Monika Scholz. Das betreffe zum einen seine schon sehr guten Deutsch-Kenntnisse, aber vor allem sein Sozialverhalten. „Sher Ali ist ausgesprochen beliebt in der Klasse“, sagt Scholz.
Der Elfjährige ist Klassensprecher und vertritt die Schule im Kinder-Parlament der Stadt. Bei einem Handballturnier wurde der TSV Bayer auf ihn aufmerksam und hat ihn zum Training eingeladen. Der Junge, der zuvor noch keine Schule besucht hatte, hat eine Gymnasialempfehlung erhalten und soll im Sommer das benachbarte Bettina-von-Arnim-Gymnasium besuchen. Aber wie es wirklich mit ihm weitergeht, ist derzeit völlig offen.
Rechtsanwalt Mameghani sieht für den Vater keine Chance, in Deutschland bleiben zu können: „Ihm fehlen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling.“ Der Sohn bekommt als Schüler die Chance einer Duldung und, wenn er länger als vier Jahre hier ist, eine Aufenthaltsgenehmigung, so der Rechtsanwalt. Aber Mameghani sagt auch: „Wenn er alleine hierbleiben will, heißt das auch, dass er seine Familie über Jahre, oder vielleicht nie mehr, wiedersehen wird.“ Eine solch dramatische Konstellation habe er noch nicht auf seinem Schreibtisch gehabt.
Die Mitschüler haben von sich aus eine Unterschriftenaktion auf die Beine gestellt. Sie wollen, dass ihr afghanischer Freund bleibt. „Ich fühle mich sehr wohl hier“, sagt Sher Ali, der gerne Arzt werden möchte. „Ich möchte nicht mehr zurück, dort gibt es keine richtige Schule. Auch meine Mutter, mit der ich telefoniere, sagt, ich soll hierbleiben.“
Für Susanne Massenberg, eine der engagierten Schuleltern, ist die Vorstellung, dass der Junge hier alleine bleibt, unerträglich. „Wir wünschen uns, dass die Stadt alles versucht, dass die Familie doch hier vereint werden und bis zum Abschluss von Sher Alis Schulausbildung hierbleiben kann.“