Mythos oder Tatsache? Horst Dederichs sucht Antworten
Der Jüchener ist einer der bekanntesten deutschen Forschungstaucher. Seine letzte Exkursion führte ihn vor die Küste Lampedusas, auf den Spuren Erwin Rommels.
Jüchen. Den ersten Augenblick, in dem das Wrack aus den dunklen Tiefen des Meeres hervortritt, vergisst Horst Dederichs nicht. „Das ist sehr aufregend. Seit 70 Jahren liegt das Schiff auf dem Meeresgrund. Niemand hat es seitdem betreten“, beschreibt der Extremtaucher aus Jüchen das Gefühl, als er zum ersten Mal die „Reichenfels“ vor sich sah — eine Zeitreise in rund 50 Metern Tiefe.
„Ein großer Teil der Schiffe, Flugzeuge und U-Boote zur Versorgung Afrikas während des Zweiten Weltkriegs wurde abgeschossen. Die verschwinden nicht, die müssen irgendwo sein“, sagt der 42-Jährige. 1942 hatten englische Torpedoboote und Flugzeuge die „Reichenfels“ und ihren Konvoi, der Munition und Fahrzeuge für Erwin Rommels Afrikafeldzug geladen hatte, angegriffen und versenkt.
Anhand von Seekarten und Verlustlisten kam Dederichs den Wracks auf die Spur. „Jedoch haben wir erst nichts gefunden. Die Wracks befanden sich acht Seemeilen von dem Punkt entfernt, der auf der Seekarte eingetragen war.“ Helfen konnte dem Team ein Fischer: „Die Wracks bieten einen Rückzugsort für die Tiere, darum sind die Stellen besonders fischreich“, erklärt Dederichs.
Eine Woche lang ankerte das Exkursionsschiff zwischen Lampedusa und Kerkennah, täglich ging es für mehrere Stunden in die Tiefe. Immer dabei: Das Atemkreislaufgerät und Sicherheitsflaschen — Ausrüstung, die locker 50 Kilo auf die Waage bringt. „Unter Wasser merkt man das Gewicht nicht stark, jedoch beim Schwimmen. Das ist Sport, das macht müde“, sagt Dederichs mit Nachdruck. Die Kosten für die Tour von rund 20 000 Euro hat das Team selbst gezahlt.
Gefunden haben die Taucher schließlich drei Wracks in zerstörtem Zustand. „Die waren richtig zusammengeschossen und in Teile gebrochen“, sagt der Jüchener. Daneben entdeckte er sechs Panzer. „Sie lagen da, noch aneinander gekettet — ein bizarrer Anblick. Vermutlich sind sie im Sturm über Bord gegangen.“
Ein mulmiges Gefühl kennt Dederichs nicht, wenn er bis dato unbetretene Wracks erkundet. „Ich tauche seit 20 Jahren, das ist meine zehnte große Tour. Wenn man sich intensiv vorbereitet und es richtig macht, ist das ungefährlich.“ Nach dem Studium war er als Tauchlehrer in Ägypten. „Da habe ich leichtsinnige Tauchgänge unternommen, weit jenseits der Grenzen und ohne die richtige Ausrüstung“, erinnert er sich. Passiert sei nie etwas. „Ich habe einen Schutzengel unter Wasser.“ Auch Begegnungen mit Haien änderten seine Meinung nicht: „Das sind beeindruckende Raubtiere, davor habe ich massiven Respekt. Davon geht aber beim Wracktauchen die geringste Gefahr aus. Trotzdem wäre es meiner Familie lieber, ich würde Schach spielen“, sagt er lachend.
Ein Abschied von seiner Passion ist jedoch nicht absehbar — im Gegenteil: Der Tauchlehrer und Betreiber eines Geschäftes für Zubehör plant bereits die nächste Exkursion. Im September geht es nach Schottland, wo in einem natürlichen Hafen das Wrack eines abgeschossenen U-Bootes liegen soll. „Die Geschichte klingt ein bisschen komisch, ich bin mir noch nicht sicher, was ich da finden werde. Mythos oder Tatsache, darum geht’s.“