Neuss: Abschluss "ist vernünftig"

Derendorf hat mitverhandelt, Napp hält Ergebnis für "in Ordnung".

<strong>Neuss. Die Reaktionen auf den Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst sind - zumindest auf Arbeitgeberseite - eindeutig. Die Schmerzgrenze sei überschritten, hieß es beim Städte- und Gemeindebund, Bürger müssten mit höheren Gebühren rechnen, kündigten einige Kämmerer an, und Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt sprach von falscher Weichenstellung. Ganz anders sieht das Wilfried Derendorf: "Der Abschluss ist vernünftig." Der Personalratschef im Rathaus ist stellvertretender Komba-Vorsitzender und deren Streikleiter, Mitglied im Landesvorstand - und war bei den Verhandlungsrunden in Potsdam dabei.

Er sei "noch immer etwas müde", sagt Derendorf. Den Verhandlungsmarathon hat er hautnah miterlebt. Ein kräftezehrendes Erlebnis mit "vielen neuen Erkenntnissen über Rituale und auch über Schauspielerei". In der Nacht zu Montag ging es bis 4.30Uhr, erzählt er. Und in der Nacht zuvor gab es auch nicht viel Schlaf. Derendorf ist froh über das Ergebnis, auch wenn es, wie er bedauert, "einige Kröten zu schlucken gab". Das ist für ihn vor allem die halbe Stunde Arbeitszeitverlängerung. Doch deshalb einen Streik zu riskieren, hielt er für unverhältnismäßig.

Wilfried Derendorf rechnet vor. Im Niedriglohnsektor bedeutet der Abschluss zum Beispiel für eine Reinigungskraft im Neusser Rathaus eine Steigerung von jetzt 6,64 Prozent. Konkret: Statt 1286 Euro hat sie nun 1377 Euro. Für eine angestellte Führungskraft wirkt sich der Abschluss in einer Steigerung von 4,1 Prozent aus: Von 4330 Euro zum Beispiel steigt das Gehalt auf 4515 Euro.

In Gewinner und Verlierer mag der Komba-Mann die Tarifparteien nicht spalten. Für ihn aber steht fest: "Nach langen Jahren der Enthaltsamkeit gibt es jetzt eine wirklich positive Entwicklung." Aussagen, nun drohe Personalabbau, sieht er analog der Alternative von Pest und Cholera. Immer nur Reallohnverlust, das könne doch auch nicht angehen.

Für die Neusser Stadtverwaltung bedeute der Abschluss in diesem Jahr zusätzliche Ausgaben von zwei Millionen Euro, erklärt Bürgermeister Herbert Napp. Darin enthalten sind allerdings auch die längst vereinbarten Tarifsteigerungen für Beamte ab Juli (um 2,9 Prozent). "Es wird nicht einfach, aber wir werden das auffangen", sagt der Stadtchef. Dahinter verbergen sich "personalwirtschaftliche Maßnahmen": Durch die Mehrarbeit von einer halben Stunde sollen Stellen eingespart werden - wie viele, ist noch völlig offen. Frei werdende Stellen könnten erst mit Verzögerung wieder besetzt werden. Im nächsten Jahr dann werde das nicht mehr möglich sein.

Herbert Napp betont aber auch: Blicke er auf die Mitarbeiter, die "unstreitig in der Vergangenheit sehr sparsam oder gar nicht bedacht wurden", sei das Ergebnis "durchaus in Ordnung." Für die Stadt, so Napp, sei die Tariferhöhung "wirklich keine Katastrophe." Und jetzt wegen des Abschlusses Gebührenerhöhungen anzukündigen, ist für den Neusser Bürgermeister "einfach unredlich."