Neuss: Christkind verdrängte den Nikolaus

Kulturgeschichte: 850 Objekte erzählen im Clemens-Sels-Museum in der Ausstellung „Christkind, Weihnachtsmann und Co.“ von den Traditionen rund um die Weihnachtszeit.

Neuss. Warum ist das Christkind mal als gewickeltes Kind in der Krippe dargestellt, mal als engelgleiche junge Frau? Wann entwickelt sich der hässliche, böse Knecht Ruprecht, der Kinder buchstäblich in den Sack steckt, zum freundlichen älteren Herrn? Und woher stammt eigentlich der Weihnachtsmann? Fragen über Fragen. Beantwortet werden sie auf höchst anregende Weise in der Ausstellung "Christkind, Weihnachtsmann & Co." im Clemens-Sels-Museum. Der Untertitel deutet auf den Schwerpunkt hin. "Kulturgeschichtliches zu den weihnachtlichen Gabenbringern" heißt es zu der Schau, die heute Abend eröffnet wird.

Denn Weihnachten entwickelte sich seit der frühen Neuzeit zum Bescherfest - eine Entwicklung, die zunächst von den Protestanten geprägt wurde. Denn die wollten den Heiligenfesten etwas entgegensetzen und schufen so - als Gegengewicht zu dem etablierten katholischen Nikolaustag als Bescherfest - das Weihnachtsfest als besinnliche Familienfeier. Die Idee des allgemeinen Priestertums begünstigte diese Entwicklung mit der Hausandacht ebenso wie später der Rückzug des Bürgertums ins Private. Erst spät, zum Ende des 19.Jahrhunderts, schlossen sich auch katholisch geprägte Regionen dem Wechsel vom Nikolaus- zum Weihnachtstag als besinnliches Bescherfest an. Eine typisch deutsche Entwicklung: In zahlreichen anderen europäischen Ländern wird Weihnachten laut, fröhlich und öffentlich gefeiert.

Die teils verwirrende und nur selten stringente Entwicklung der "Gabenbringer" zeigt die von Kurator Thomas Ludewig in zweijähriger Arbeit sorgsam konzipierte Ausstellung mit romantischen, überraschenden und erbaulichen Exponaten auf. 850 Objekte, viele aus der Privatsammlung Pintscher, sind ausgestellt.

Da ist das Christkind als Jesuskind in der Krippe dargestellt. Die Protestanten griffen mit seiner Hilfe die Idee des Examinierens auf, wie sie am Nikolaustag praktiziert wurden, und verlegten sie aufs Weihnachtsfest. Bei Einkehrspielen wurde den Kindern der Katechismus abgefragt; man "bestellte" das Christkind ins Haus. Und das wurde im Laufe der immer üppiger gestalteten Einkehrspiele älter und entwickelte sich zur engelsgleichen Figur mit Flügeln. Zahlreiche Darstellungen in der Ausstellungen belegen diesen "Werdegang".

Ebenso thematisiert die Schau die Figuren von Nikolaus und Knecht Ruprecht, die den christlichen Dualismus von Gut und Böse darstellten. Als sich im 19.Jahrhundert die Pädagogik ändert, verliert Knecht Ruprecht seine Teufelsgestalt, wird milder und ästhetischer: Das belegen zahlreiche Bilder der Ausstellung. Schließlich wird er selbst zum "Gabenbringer". Bis zum 19.Jahrhundert verschmelzen Nikolaus, Knecht Ruprecht und Weihnachtsmann vielerorten. Da kann dann aus der Mitra die Zipfelmütze und aus dem Bischofsmantel der Morgenrock werden. Der Nikolaus-Weihnachtsmann ist nicht mehr religiös, sondern allenfalls märchenhaft. Es ist die Zeit, ab der sich auch die Werbung dieser Figur bedient.

Staunend wird der Besucher vor so mancher Postkarte, so mancher Figur stehen, mal belustigt, mal in Erinnerungen gefangen. Und im übrigens eines lernen: Mitnichten hat Coca Cola den Santa Claus erfunden - sondern ihn nur geschickt genutzt.

Nach der Eröffnung am Donnerstagabend ist die Ausstellung, die auch eine kleine Abteilung "Kurioses" aufweist, ab Freitag am Obertor zu sehen.