Die Macken in der Symmetrie Was beim Zeichnen des Neusser Vogthauses auffällt

Neuss · Das Vogthaus ist eines der vielen alten Gebäude in der Neusser Innenstadt. Das auf den ersten Blick einwandfrei symmetrische Gebäude zeigt seine Ungleichheiten erst beim genauen Hinsehen — zum Beispiel beim Zeichnen.

Beim Zeichnen des Hauses am Münsterplatz fallen unserem Autor viele Kleinigkeiten auf.

Foto: Andreas Woitschützke

Das Vogthaus in der Neusser Innenstadt ist ein dankbares Motiv zum Zeichnen, weil es so symmetrisch ist. Ich zeichne gerne symmetrische Motive: Wo auf der rechten Seite des Hauses ein Fenster ist, ist auch auf der linken Seite eines. Balkone und besonders große Fenster sind mittig platziert.

Dass ich am Tag des Termins zum Zeichnen und Fotos machen alle meine Stifte zu Hause vergesse, ist nicht weiter schlimm — seit Jahren zeichne ich am liebsten einfach mit einem schwarzen Kugelschreiber, meistens auch ohne eine Bleistiftskizze. Ich behalte meine dünnen Umrisse, die ich zu Anfang eines Bildes zeichne, einfach mit im Bild. Das hat zwar zur Folge, dass die Zeichnungen am Ende immer ein wenig chaotisch aussehen, aber das ist okay für mich; saubere Konturen liegen mir ohnehin nicht.

Der „Erfolg“ einer Zeichnung ist — zumindest für mich — sehr tagesformabhängig. Dass mir ein Fotograf dabei über die Schulter sieht, ist zusätzlich ungewohnt. Mit den Anfängen des Bildes bin ich recht zufrieden, aber im Laufe der halben Stunde, die ich auf dem Münsterplatz sitze, schwindet meine Zufriedenheit immer mehr. Die Zeichnung ist dann doch zu chaotisch, es gibt zu viele zu dunkle Details, sodass kein starker Kontrast mehr die Besonderheiten des Vogthauses, insbesondere das Schützenglockenspiel (das praktischerweise genau an diesem Vormittag mitten in seiner Aktion stehen geblieben ist), hervorheben kann. Außerdem stimmen die Proportionen teilweise nicht, etwa die Größenverhältnisse der Fenster verschiedener Etagen zueinander. Am Ende finde ich das Ergebnis ganz okay, fange dann aber am Tag darauf noch einmal von vorne an und zeichne anhand meiner ersten Skizze ein zweites Bild, das ich schließlich doch verwerfe.

Bei einem insgesamt so symmetrischen Bauwerk wie dem Vogthaus fallen die kleinen Asymmetrien beim Zeichnen umso mehr auf: so etwa die zweite Eingangstür am rechten Rand des Gebäudes oder das große Wirtshaus-Schild aus Metall, das daneben hängt. Solche Macken in der Symmetrie sind für mich eine Übung, immer nur zu zeichnen, was ich wirklich sehen kann, selbst wenn ich mehr weiß, als sichtbar ist. Ein Beispiel: Ich weiß, wenn links ein Fenster ist, ist rechts auch eins, ich habe es vielleicht sogar aus einer anderen Perspektive selbst gesehen. Ist aber ein Ast davor, blendet mich die Spiegelung der Sonne oder wird es in den Lichtverhältnissen und ohne Brille von der Backsteinwand verschluckt, zeichne ich es trotzdem nicht.

(mabe)