Neuss/Theater: Das Leben plätschert dahin, bis der Tod als müder Partylöwe stört
„Jedermann“-Premiere im Globe vom Durchschnitt beseelt.
Neuss. In der Reduzierung der Übertreibung lag für den Österreicher Hugo von Hofmannsthal die Kunst des guten Geschmacks. In der Inszenierung des Mysterienspiels Jedermann von Andreas Ingenhaag mit dem Rheinischen Landestheater, das am Freitag im Globe-Theater Premiere feierte, war genau das der Schwachpunkt.
Ingenhaag präsentiert das Spielen vom Sterben des reichen Mannes, allseits bekannt als Salzburger Festival-Dauerbrenner, modern und ohne Theatralik. Zwei Spiegel rechts und links, schraffierte Zeichnungen der menschlichen Gestalt an den Wänden, mehr braucht das minimalistisch treffende Bühnenbild in schwarz-weiß von Mechthild Schwienhorst nicht, um deutlich zu machen, dass schlicht der Mensch im Fokus steht.
Den bringt Hermann Große-Berg als Geschäftsmann im schwarzen Mantel und Seidenschal als Macher mit Seele auf die Bühne. Ingenhaag setzt bei seinen Figuren auf Durchschnittstypen ohne Charisma und Kontur. Dadurch mutiert die von der menschlichen Vergänglichkeit erzählende Todesstunde zu einem eher faden Märchenspiel. Selbst das Gewicht der Worte der volkstümlichen Knittelverse schwindet. Es ist wie ein Leben, das dahinplätschert.
Lediglich die Kernszene des Festmahls unterbricht die Monotonie: Jedermann lässt als Gastgeber einer Stegreif-Party eine Kiste Schampus für seine dekadenten Gäste springen. Hohlköpfe in schrillen Outfits, die die Party mit einer Reise nach Jerusalem auf ihren albernen Höhepunkt treiben wollen - ein gelungenes Sinnbild des satt verwöhnten Lebens.
Der Tod, personifiziert durch Hannes Schäfer, versaut die Partystimmung. Als ein müder eleganter Partylöwe im weißen Anzug mischt er sich unter die Partyrunde: kein starker Bote Gottes, der das Fürchten lehrt, sondern sich beiläufig banal ins Spiel bringt. Einen wahrhaftigen Glanzpunkt setzt Vera Kasimir als Allegorie des Mammons. Wie ein goldig-üppiger Geldsack rekelt sie sich in satanisch süffisanter Manier vor dem verzweifelnden Jedermann und lässt ihn erkennen, dass Geld nicht alles sein kann. Als mahnender Glaube springt Raik Singer wie ein Hippie-Guru auf den Tisch, während Hergard Engert auf einknickenden Pomps in der Rolle der Werke ermüdend um Haltung ringt und den Mangel an guten Taten des Lebemannes symbolisiert.