Neuss: Verluste aus Zinswetten geringer
Die Stadt hat bei umstrittenen Zinsgeschäften gezockt. Erstmals fließt daraus Geld zurück.
Neuss. 91,3 Punkte. Die Zahl von Donnerstag muss in der Kämmerei Befriedigung auslösen, so wie auch die Kennzahlen der Tage zuvor. Bei 91,3 Punkten lag vor zwei Tagen der Spread.
Der wiederum ist Gradmesser in dem vom Rat gebilligten, dennoch umstrittenen Zinsgeschäft, das die Stadt im Sommer 2005 mit der Deutschen Bank abgeschlossen hat.
Die entscheidende Marke liegt beim Neusser Geschäft bei 83: Liegt der Spread darunter, zahlt die Stadt an die Bank. Steigt er darüber, kommt Geld in die Stadtkasse. Bisher wurde gezahlt. Jetzt fließt Geld von der Deutschen Bank nach Neuss.
Im Sommer 2005 hatte die Stadt - wie zahlreiche andere Kommunen auch - das risikoreiche Geschäft abgeschlossen. Eingebracht wurden 90Millionen Euro Kreditsumme aus dem Bereich der Stadtentwässerung.
Bei dem Modell der Derivate wird auf die Zinsentwicklung gewettet - auf die Spanne zwischen den Zinsen für Kredite über zwei und zehn Jahre. Vereinfacht ausgerückt: Ist die Spanne (der Spread) hoch, gewinnt die Stadt, verläuft die Kurve flach, zahlt sie drauf.
Die Stadt ging mit der Deutschen Bank einen Beratervertrag ein, schloss dann das Geschäft ab, als der Spread bei 52 stand. Kurz darauf fiel er bis unter den Nullpunkt: Zehnjahreszinsen sackten unter die Raten des Zweijahreszinsen. Dann stieg der Spread ganz allmählich wieder an.
Bis 2013 läuft das Geschäft, viermal im Jahr ist Zahltag. Bisher hat die Stadt mehr als 7 Millionen Euro an die Bank gezahlt; der Drohverlust lag deutlich höher. Jetzt aber, mitten in der Finanzmarktkrise, kehrt sich der Spieß um.
Wie weit sich der bisher gezahlte Verlust von 7 Millionen Euro nun verringern wird, ist völlig offen. "Kein Kommentar" lautet dazu der einzige Kommentar aus dem Rathaus. Hintergrund ist das schwebende Verfahren im Streit mit der Deutschen Bank.
Unterstützt von einem Gutachten der renommierten Kanzlei Baum, Reiter & Collegen setzt sich die Stadt gegen den Vertrag mit der Deutschen Bank zur Wehr. Die habe "schuldhaft falsch beraten", heißt es in dem Gutachten. Der Rat hat der Verwaltung die Erlaubnis zur Klage erteilt, doch bislang laufen zunächst einmal Gespräche. Offensichtlich versucht man, sich zu einigen.
Vor einigen Tagen hat das Landgericht Frankfurt/M. in einem ganz ähnlichen Fall die Deutsche Bank verurteilt. Das Institut muss den Stadtwerken Pforzheim die in einem Spread-Geschäft entstandenen Verluste in Höhe von 4 Millionen Euro erstatten.
Auch diese Stadtwerke hatten mit der Bank einen Risikomanagement-Beratervertrag abgeschlossen, auch für die Pforzheimer war es das erste Zinsgeschäft dieser Art. Die Bank habe ihre Beraterpflichten in grober Form verletzt, urteilten die Richter. Die Deutsche Bank hat Berufung angekündigt.
In Neuss jedenfalls spielt die Zeit für die Stadt. Sicher erscheint wohl, dass die Verluste aus den Zinswetten deutlich geringer ausfallen werden als befürchtet.