Historisches Gebäude in Neuss Vogthaus am Münsterplatz feiert 425-jähriges Bestehen
Neuss · Das bekannte Gebäude auf dem Neusser Münsterplatz hat eine lange Historie. Einblicke gab es jetzt, pünktlich zum 425. „Geburtstag“, von zwei Experten. Was hatten sie zu berichten?
Zum Geburtstag des Vogthauses lud das „Forum Archiv und Geschichte Neuss“ jetzt auf geschichtsträchtigen Boden in die Traditionsgaststätte. Und die Gäste ließen nicht auf sich warten: es gab sogar so viele Anmeldungen, dass die Veranstaltung später im Jahr wiederholt wird. Sicherlich trug auch die abschließende Besichtigung des beliebten Schützenglockenspiels zur hohen Beteiligung bei.
Zunächst überraschte der Chef des Neusser Stadtarchivs, Jens Metzdorf, die Zuhörer mit einem interessanten Detail: Der Münsterplatz, auf dem sich auch das Vogthaus befindet, hieß früher Freithof, wie der jetzige Platz vor dem Zeughaus. „In Neuss war der Freithof, also der eingefriedete und von der übrigen Stadt getrennte Platz, der älteste Marktplatz der Stadt“, erklärte der Stadtarchivar. Der Freithof wurde erst im 19. Jahrhundert in Münsterplatz umbenannt, offenbar aus Unkenntnis über die historischen Hintergründe, so Metzdorf weiter.
Auf dem Neusser Freithof gründete der Erzbischof von Köln schon im Frühmittelalter eine Residenz, was später archäologische Ausgrabungen beweisen sollten. In einem zweiten Vortragsteil erläuterte Stefanie Fraedrich-Nowag die wechselvolle Neusser Geschichte rund um das 1597 gegründete Vogthaus. Der Vogt – früher auch Schultheiß genannt – war Stellvertreter des damaligen Kölner Kurfürsten und besaß die obrigkeitliche Gewalt in der Stadt. „Damit gingen große Teile der Aufgaben und Kompetenzen, die bislang in den Händen von Bürgermeistern, Rat und Schöffen gelegen hatten, in die Zuständigkeit des Vogtes über – ein herber Schlag für die städtische Selbstverwaltung und zugleich eine deutliche Machtdemonstration des Kurfürsten“, machte Stefanie Fraedrich-Nowag deutlich.
Der neue Vogt namens Johann Horn, genannt Goldschmidt, ließ den Neubau des Amtssitzes anordnen. „So entstand an der alten kurfürstlichen Curia das neue ,Vogt- und Dinghaus zu den heiligen drei Königen‘, wie auch auf dem Relief am Eingang zu lesen ist“, erklärte die Historikerin weiter.
Stolze 200 Jahre lang hielt sich das Vogtwesen in Neuss, oftmals zum Unmut der Bevölkerung, die sich ihre Selbstverwaltung zurück wünschte. Daher lag es immer in der Person des jeweiligen Vogtes, mit welcher Autorität er sein Amt ausübte.
Wegen Kompetenzgerangels konnte angeklagte Hexe fliehen
Durchaus spannend ist dabei die Geschichte der 1677 wegen Hexerei angeklagten Katharina Halfmanns: weil sich Vogt und städtische Obrigkeit um die Kompetenz stritten, konnte die angeklagte „Hexe“ schließlich fliehen. Letztendlich beendeten die französischen Revolutionsgruppen mit ihrem Einmarsch in die Stadt am 5. Oktober 1794 die Vogtherrschaft. Das Vogthaus verlor damit seine Funktion. 1810 verkaufte der letzte Vogt Joseph Sibenius das Gebäude, das in Folge zu einem reinen Wohnhaus umgebaut wurde. Später dann beherbergte es bis 1989 die Zentrale der Volksbank, bevor es heute als Gaststätte dient, Pächter ist die Bolten-Brauerei. Vor ihrer Übernahme stand das Gebäude mehrere Monate leer und musste kernsaniert werden.
Auch heute ist das Vogthaus mit seinem einzigartigen Schützenglockenspiel noch ein echtes Neusser Schätzchen. Dreimal am Tag grüßen die Schützen vom Dach musikalisch mit „Tochter Zion“.