Neuss: Vor Gericht - Kurioser Streit um Tarifvertrag
IG Metall stellt einen von ihr unterschriebenen Vertrag mit a & o-Tochter in Frage.
Neuss. Seit dem 1. April arbeiten die Beschäftigten der a & o 4Tec nach einem Haustarifvertrag. Sie verdienen nun deutlich weniger als vorher. Das Problem: Die IG Metall sagt, dass dieser Vertrag nicht gilt. Nun muss das Gericht entscheiden.
Knackpunkt ist die Besitzstandswahrung - sie wurde nicht im Vertrag vermerkt. Sie soll sichern, dass die Mitarbeiter bei Firmenübernahmen nicht schlechter dastehen als vorher.
Laut Firmenchef Michael Müller wurde das nie mit der IG Metall verhandelt. Gewerkschaftssprecherin Ingrid Gier sagt aber, dass die IG Metall bei derartigen Verträgen grundsätzlich auf eine Besitzstandssicherung bestehe: "Dies war erst die Voraussetzung für weitere Verhandlungen."
Seit dem 1. April jedenfalls verdienen die 4Tec-Beschäftigten durchschnittlich 2600 Euro bei einer 35-Stunden-Woche. Vor dem Vertrag waren es 3200 Euro. Müller verteidigt das mit dem harten Preiswettbewerb in der Branche: "Die Mitarbeiter werden nicht ins Mittelalter zurückgeschossen." Die IG Metall sieht das anders: Diese Kürzungen seien untragbar.
Allerdings liegt in Müllers Safe ein auf den 30. März datierter Vertrag, der der WZ vorliegt. Ohne Besitzstandswahrung und mit den Unterschriften von IG-Metall-Vize Berthold Huber und Tarifsekretär Gerd Nierenköther.
a & o hat nun eine Feststellungsklage beim Arbeitsgericht eingereicht. Besitzstandswahrung sei für 4Tec niemals ein Thema gewesen, sagt Müller. Die IG Metall behauptet, Müller habe während der Tarifverhandlungen zugesagt, den Punkt aufzunehmen.
"So etwas haben wir noch nie erlebt", sagt Oliver Burkhard, Leiter der Tarifabteilung bei der IG Metall: "Und wir verhandeln schließlich jedes Jahr etwa 400 Anerkennungstarifverträge." Zumal die Haustarifverträge für vier weitere a & o-Gesellschaften in Ordnung seien.
Bleibt die Frage, wie auf das Papier die Unterschriften aller Beteiligten gekommen sind. "Für uns bewegt sich der Fall in dem Spannungsfeld zwischen unlauterem Geschäftsgebahren und ’Arbeitsversehen’, was bei Letzterem auf beiden Seiten nicht auszuschließen ist", versucht Burkhard zu erklären.
Für Müller ist die Sache klar: "Was die machen, tangiert das Kriminelle. Ich habe einen Vertrag und der gilt." Ein von ihm beauftragter Gutachter stellt fest: Die Unterschriften sind echt. Darum gehe es jetzt auch nicht mehr, so Burkhard gestern. Gestritten wird darüber, wie Müller an dieses Exemplar gekommen ist. "Wir haben keinen Vertrag ausgehändigt", sagt Burkhard, und Ingrid Gier ergänzt: "Uns liegt kein Exemplar vor."
Das Thema wird das Arbeitsgericht beschäftigen. Eine Verhandlung ist für den 31. Oktober angesetzt. Die Mitarbeiter jedenfalls werden weiter zu den Bedingungen des umstrittenen Vertrages beschäftigt.