Neusser Schützen sagen „Tschö Herbert“
Während die Politik über die Abschiedsfeier für Herbert Napp streitet, erweisen die Schützen dem scheidenden Bürgenmeister beim Fackelzug auf ihre eigene Weise die Ehre.
Neuss. Siebzehneinhalb Jahre im Amt, eine Menge Zeit für eine Menge Zigaretten und sicher das eine oder andere Glas Alt, aber auch für viele Ideen, die Neuss tiefgreifend verändert haben: Ende Oktober räumt Herbert Napp als aktuell dienstältester Bürgermeister einer deutschen Großstadt das Rathaus. Die Fackelbauer haben ihm schon am Samstag ein erstes, vergängliches, aber dafür um so strahlenderes Denkmal gesetzt. Auf ihren Motivfackeln erinnerten sie — meist mit mehr als einem Augenzwinkern — an die Ära des „Vesuvs von Neuss“, der mit seinem Kampf ums Rauchen im Amtszimmer bundesweit Schlagzeilen machte.
Napp mit Zigarette, selbstverständlich im XXL-Format, oder gleich als brodelnder Vulkan, diese Fackeln gehörten zu den Höhepunkten im Umzug am Samstagabend. „Ciao Vesuv“ riefen zum Beispiel die „Blauen Blömkes“ dem Bürgermeister zu. „Tschüss Herbert“ hieß es beim „Fahnenzug“ der Napp mit einem Riesen-Zigarette auf dem Rathausbalkon zeigte. „Was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette...“ — die Grenadiere von „Treu zur Vaterstadt“ nahmen eine Anleihe bei Reinhard Mey, um Napp Adieu zu sagen.
Die „Klävpolstere“ und „Papas Stolz“ von der Schützenlust ließen den Vesuv noch einmal rauchen. Letztere fragten aber auch: „Viel Rauch um nichts?“ Napps Großprojekte wurden abgewogen: Skihalle gebaut, Möbelhaus, Hafenfusion, Markt umgestaltet, die Straßenbahn einspurig gemacht, die Münsterschule bislang noch eine Ruine... Unterm Strich las sich das Urteil der Schützen jedoch positiv: „Napp — heiß wie ein Vulkan“. Und seine potenziellen Nachfolger? Die wurden von mehreren Züge in den Boxring gestellt, zum Beispiel von den „Hippeböck“ der Grenadiere („Nickel und Breuer steh’n bereit für den Bürgermeister-Fight“) oder von „Ka Ju No“, Schützenlust („Der Kampf des Jahres“). Andere, etwa der Jägerzug „Enzian“, setzten Thomas Nickel, Reiner Breuer und Susanne Benary-Höck aufs (Kirmes-)Kandidatenkarussell. Die Fackelbauer verabschiedeten aber nicht nur Herbert Napp: Das letzte Schützenfest von Oberst Dr. Heiner Sandmann war vielen Zügen herausragende Fackeln wert. „Das Sandmännchen kommt nicht mehr“, bedauerten zum Beispiel „Die Stifte“ aus der Schützengilde. Gleichzeitig war der Fackelzug auch ein klares Bekenntnis zu einem friedlichen und weltoffenen Fest in Neuss: „Im Fokus2015“ war etwa der Auftritt von „Nur so“ überschrieben. „Welcome“ sagten die Marschierer der Schützenlust und trugen leuchtende Turbane oder Afrofrisuren. „Ejal ut welcher Eck du kütts, zsame fiere mer in Nüss“ verkündete der Dreikönigenchor, während die „Fetzige Nüsser“ mit Peace-Zeichen und vielen Fahnen „Frieden für alle“ forderten.
Dafür, wie auch für zahlreiche weitere tolle Ideen der Fackelbauer, gab’s Applaus von vielen der rund 100 000 Besuchern am Straßenrand: Ob die WM in der Wüste, das defekte Schützenglockenspiel, die Pannenserie bei der Bundeswehr, Bahn- und Kita-Streiks, den NSA-Skandal oder das Attentat auf das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“ — die Schützen machten es ebenso zum Thema wie die Griechenland-Krise und den aktuellen Überlebenskampf des Schraubenwerks von Whitesell, von den „Liebe Jungens“ eindrucksvoll dargestellt mit Inbusschraube und Monster-Heuschrecke mit Stars and Stripes.