Stadtfest bietet Zeitsprünge durch die Geschichte
Neusser reisten in der Vergangenheit. Wetter trübte die Stimmung nicht.
Neuss. Auch der Regen konnte nicht verhindern, dass der berüchtigte Räuberhauptmann Mathias Weber, genannt „Der Fetzer“, ins Rathaus eindringen und dort wertvolle Beute machen konnte. Bei der sechsten Ausgabe des historischen Stadtfestes „Zeitsprünge“ waren diese Momente wieder einmal das absolute Highlight. Begleitet vom Soundtrack des Filmklassikers „Der rote Kosar“ präsentierten die Stuntmen der Skihalle wieder ihre Seilakrobatik und stellten den historischen Raub nach.
In diesem Jahr war die Aktion noch anschaulicher: Ein Räuber kletterte unter dem Rathausbalkon an einem Seil entlang und Soldaten feuerten ihre Gewehre auf die Bande ab.
Wer als Besucher am Samstag in die City kam, konnte sich den Zeitsprüngen nicht entziehen, denn am Freitag und in den frühen Morgenstunden hatten Stadtführer Rolf Lüpertz und Mitarbeiter von Neuss Marketing 300 historische Fotografien als stadtweite Galerie aufgestellt. Zudem wurde die Innenstadt mit fast 80 aktiven Darstellern zur geschichtlichen Erlebnismeile.
Das Wetter war zwar schlechter als im vorigen Jahr, die Stimmung jedoch war ungetrübt. So freute sich Bastian Schäfer, Ritter aus dem 10. Jahrhundert, darüber, mit Gleichgesinnten seinem Hobby nachgehen zu können. „Ich habe mir heute diese Zeitepoche ausgesucht, weil die Menschen damals ohne Prunk auskamen. Das entspricht auch meiner Natur“, erklärte er, während er sich mit einem amerikanischen Soldaten unterhielt.
Als bayrischer Generalmajor Rüdiger Ritter von Erbslöh aus der Zeit von Kaiser Wilhelm I. fühlte sich Rüdiger Erbslöh auch unter dem Zeltdach in Neuss wohl. „Wir können bei unseren Auftritten das Wetter nie beeinflussen, da stört uns auch kein Sommerregen“, meinte der Lanker Historienfreund.
Ihr Hobby zum Beruf machte Ruth Grützmacher-Behrendt aus Overath, die sich als Kostümnäherin besonders in der Historienszene einen Namen gemacht hat. Sie nähte schon so manchen Waffenrock und das eine oder andere Hofdamenkleid. Als studierte Historikerin kennt sie allerlei pikante Details aus der Zeit der Jahrhundertwende.
Die Mitglieder des Jardin-des-Epoques-Ensembles kamen hingegen nicht dazu, ihre kleinen Geschichten mit Tanz unter die Leute zu bringen. Der Boden war einfach zu nass für die handgenähten Kostüme.
Die historische Modenschau wurde im Schnelldurchlauf mit einiger Verzögerung von Susanne Lüpertz und ihren Freundinnen durchgeführt. „Wir sind jedes Mal dabei und können es kaum erwarten, die wundervollen Kleider zu präsentieren“, freute sie sich.
Kinder der Kreuzschule bewiesen, dass auch junge Neusser Interesse an der Stadtgeschichte haben. Ihr ehemaliger Schulleiter Klaus Laufenberg konnte mit seiner Geschichts-AG das Interesse der Besucher auf sich lenken. Theresia Schröttke erklärte anhand eines in der AG gebauten Stadtmodells die französische Belagerung von 1475. „Ich kenne die Neusser Geschichte besser als meine Mutter“, berichtete die Schülerin stolz.