Wahlsensation in Neuss: Reiner Breuer wird Bürgermeister
Erstmals in der Geschichte stellt die SPD den Bürgermeister — eine heftige Niederlage für die CDU.
Neuss. Auch Stadtarchivar Jens Metzdorf musste erst nachschauen, um ganz sicher zu sein: Reiner Breuer wird der erste SPD-Bürgermeister in der Geschichte der Stadt Neuss. Die noch größere Sensation: Mit 54,06 Prozent holt der 46-Jährige die absolute Mehrheit — die Stichwahl am 27. September, die in Neuss lange als sicher galt, wird es nicht geben. CDU-Konkurrent Thomas Nickel kam nur auf 36,33 Prozent — eine krachende Niederlage für ihn und die komplette Neusser CDU.
Die Reaktionen in Neuss fielen am Sonntag dem Ergebnis entsprechend unterschiedlich aus. Besonders der scheidende Bürgermeisters Herbert Napp konnte den Wahlausgang kaum fassen: „Ich bin überrascht und schockiert. Das Denken ist aus dem Gleis geworfen.“
Die CDU-Stadtverordnete Angelika Quirin-Perl kündigte — bereits als die Ergebnisse noch einliefen — die Aufarbeitung an: „Ein Trauerspiel. Jetzt müssen die Gründe diskutiert werden.“
Das Epizentrum des politischen Bebens in Neuss befand sich am Sonntag aber in der Alten Post — dort fand die Wahlparty der SPD statt. Die SPD-Stadtverordnete Gisela Hohlmann sagte, während sie sich mit Jubeln die Wartezeit auf ihren Kandidaten vertrieb: „Wir haben Herzklopfen. So etwas haben wir gehofft, aber nicht getraut, es zu glauben.“ Ebenfalls vor Breuer fand sich seine 14-jährige Tochter in der Alten Post ein — und machte ihrem Vater das vielleicht schönste Kompliment an einem Abend voller Lob: „Ich bin unheimlich stolz auf meinen Papa.“
Als Breuer selbst in der Alten Post unter großem Jubel seiner Parteigenossen auflief, musste er erstmal telefonieren. Zunächst war es NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), der ihm zum Wahlsieg gratulierte. Dann meldete sich Konkurrent Nickel telefonisch.
Breuer selbst kam vor lauter Jubel kaum zu Wort: „Wir haben die Sensation vollbracht. Die Wähler in Neuss sind schlau. Sie haben gesagt: ,Das machen wir lieber an einem Tag’.“
Beim großen Verlierer des Abends, der Neusser CDU, wurden schon vor Verkündung des amtlichen Endergebnisses Köpfe gefordert: Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung Neuss, Klaus Goder, kündigt an, dass er im Namen seiner Vereinigung morgen Abend den Parteivorsitzenden Jörg Geerlings bitten werde, nach vier Niederlagen in Serie die persönlichen Konsequenzen zu ziehen und sein Amt für einen personellen Neuanfang zur Verfügung zu stellen. Goder hatte sich CDU-intern um die Bürgermeister-Kandidatur beworben, war aber in der Aufstellungsversammlung Anfang November unterlegen und musste Thomas Nickel den Vortritt lassen.
Im Wahlkampf hatte Reiner Breuer die Mitte der Gesellschaft angesprochen. Stichworte seiner Politik sind keine ideologischen Kampfparolen, die bürgerliche Wähler irritieren. Wie sich gestern zeigte: Ein sehr gutes Rezept für einen Wahlkampf und ein sehr gutes Rezept für eine Sensation. Red