Wer schafft es nach Berlin?

Sechs Kandidaten aus den hiesigen beiden Wahlkreisen haben gute Chancen, in den Bundestag einzuziehen.

Foto: dpa

Rhein-Kreis. Ja, auch in der Politik gilt, was Fußball-Fans wissen: „Entscheidend ist aufm Platz.“ Morgen sind 61,5 Millionen Deutsche aufgerufen, den 19. Bundestag zu wählen. Meinungsumfragen, Prognosen und Spekulationen haben dann ausgedient. Entscheidend ist, wo die Bürger ihr Kreuz machen. Ab 18 Uhr wird ausgezählt.

Und doch ist es verlockend, einen Blick auf das Kandidatentableau zu werfen, um zu analysieren, was möglich ist. Wer zum Beispiel darauf wettet, dass dem neuen Parlament mehr Abgeordnete aus dem Rhein-Kreis angehören werden als dem 18. Bundestag, der hat allerbeste Chancen, diese Wette zu gewinnen. Derzeit sind es drei Abgeordnete mit Kreis-Bezug in Berlin. Zunächst die beiden CDU-Politiker Hermann Gröhe (Wahlkreis 108, Neuss I) und Ansgar Heveling (Wahlkreis 110, Krefeld I / Neuss II), die vor vier Jahren in ihren Wahlkreisen das Direktmandat holten. Hinzu kommt seit Dezember 2016 der Kieferorthopäde Mathias Höschel, der in Meerbusch lebt. Von Listenplatz 57 rückte der Christdemokrat für den verstorbenen Ex-Generalsekretär der CDU, Peter Hintze, nach. Auffallend: Bei der 2017er Bundestagswahl steht Höschel wieder auf Platz 57 der CDU-Landesliste.

Weitere Bewerber aus dem Rhein-Kreis zogen über die Landesliste ihrer Parteien 2013 nicht in den Bundestag ein. Die FDP scheiterte erstmals an der Fünf-Prozent-Hürde und Platz 31 reichte für Klaus Krützen (SPD) knapp nicht; die Liste zog nur bis Platz 29. Als er dann vor zwei Jahren als Nachrücker nach Berlin gekonnt hätte, lehnte er ab. Sein Weg führte ihn auf den Bürgermeister-Sessel der Stadt Grevenbroich.

Doch morgen ist alles anders. Am Ende könnten bis zu sechs Abgeordnete aus den beiden Wahlkreisen des Rhein-Kreises in den 19. Bundestag einziehen. Wie geht das? Als sicherste Bank erscheint Hermann Gröhe. Der Bundesgesundheitsminister holte seinen Wahlkreis bereits viermal — 1998, 2005, 2009 und 2013 — direkt. Nur einmal unterlag er. 2002 musste Gröhe dem damaligen Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) den Vortritt lassen. Gröhe ist aber auch auf der NRW-Liste der Christdemokraten bestmöglichst platziert. Er führt sie an. Eine Position, die bei den Sozialdemokraten Kanzlerkandidat Martin Schulz einnimmt. Auch Ansgar Heveling, zum dritten Mal CDU-Bewerber in seinem Wahlkreis, will nach 2009 und 2013 morgen zum dritten Mal direkt nach Berlin gewählt werden. Er muss auch die „Direktfahrkarte“ lösen, denn der Vorsitzende des Bundesinnenausschusses ist nicht auf der Liste abgesichert. Doch er ist in seinem Wahlkreis, den Jüchen, Kaarst, Korschenbroich und Meerbusch aus dem Rhein-Kreis gemeinsam mit dem Krefelder Süden bilden, der Bewerber, den es zu schlagen gilt. 2013 verpasste er mit 49,1 Prozent der Erststimmen nur hauchdünn die absolute Mehrheit; Benedikt Winzen von der SPD kam ihm mit 30,9 Prozent noch am nächsten — allerdings mit respektvollem Abstand.

Morgen heißt Hevelings SPD-Herausforderin Nicole Specker und die ist mit Position 28 auf der NRW-Liste so gut platziert, dass sie vor vier Jahren in Bundestag eingezogen wäre. Die Chancen der Krefelderin sind also intakt. Noch besser sieht es für den SPD-Chef im Rhein-Kreis, Daniel Rinkert, aus. Der hat es in seinem Wahlkreis zwar mit Hermann Gröhe und somit mit einem Schwergewicht der deutschen Politik zu tun. Aber der erst 29 Jahre alte Jungpolitiker hat sich Platz 21 auf der Landesliste erkämpft, der als sehr aussichtsreich gilt.

Zu den jeweils zwei Abgeordneten von CDU und SPD könnten sich auch noch zwei FDP-Bewerber gesellen. Denn meistern die Liberalen morgen die Fünf-Prozent-Hürde dann sind der Kreisvorsitzende Bijan Djir-Sarai und der Krefelder Otto Fricke sicher im Bundestag. Ihre Listenplätze sechs und sieben würden jetzt das möglich machen, was ihnen bereits 2009 gelang.

Gut möglich also, dass morgen Abend der Rhein-Kreis über sechs Abgeordnete in Berlin verfügt. Aber könnte dieses Sextett helfen, Kreis-Interessen zu vertreten? „Ja“, sagt Landrat Petrauschke, „Ansprechpartner mit regionaler Anbindung und Kenntnis sind immer von Vorteil. Besonders gut ist es natürlich, wenn sie einer Regierungsfraktion angehören.“ So habe Kurt Bodewig seinerzeit beim Thema Autobahnanschluss Delrath sehr geholfen, Hermann Gröhe bei wichtigen Standort-Fragen der Aluminium-Industrie. Für den Rhein-Kreis sei es gut, wenn möglichst viele Kreis-Parteien Abgeordnete im Bundestag und Landtag stellen.