Politische Bildung Schuldebatten vor der Bundestagswahl erlaubt - aber neutral

Düsseldorf · Wo verläuft in der schulischen Bildung der Grad zwischen politischer Information und Parteipropaganda? Dazu gibt es vor der Bundestagswahl umstrittene Empfehlungen.

Eine kritische Auseinandersetzung von Schülern mit der bevorstehenden Wahl ist erwünscht - allerdings müssen die Schulen bei ihrem Bildungsauftrag Neutralität und Gleichbehandlung der Parteien gewährleisten. (Symbolbild)

Foto: Arne Dedert/dpa

In den letzten Wochen vor der Bundestagswahl müssen die Schulen in Nordrhein-Westfalen besonders sorgfältig das Neutralitätsgebot beachten. Podiumsdiskussionen mit Politikern sind aber nicht untersagt. Das hat das Schulministerium in Düsseldorf klargestellt.

Das seit vielen Jahren geltende Abstandsgebot vor Wahlen beinhalte keine starre Grenze, hieß es aus der Schulbehörde. Vielmehr gehe es darum, dass die Schulen rund sechs Wochen vor einer Wahl jeglichen Anschein einer politischen Einflussnahme auf Schülerinnen und Schüler vermeiden.

Kein Maulkorb, aber Balance wahren

„Dies bedeutet lediglich eine Empfehlung zur Zurückhaltung und ausdrücklich kein Verbot beispielsweise für Podiumsdiskussionen, die den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien wahren und ein breites Meinungsspektrum abbilden“, betonte das Ministerium. Es sei ausdrücklich zu begrüßen, dass sich junge Menschen auch in der Schule intensiv mit der bevorstehenden Bundestagswahl auseinandersetzten.

FDP erwartet offenen Bildungsdiskurs

Die FDP-Opposition wird das Thema im Landtag auf die Agenda des Schulausschusses bringen. „Starre Regeln der Landesregierung blockieren die politische Bildung an den Schulen“, meinte die schulpolitische Sprecherin der Fraktion, Franziska Müller-Rech.

In einem Erlass des Ministeriums vom Jahresende heißt es, dem Grundsatz schulischer Neutralität und Unparteilichkeit komme ein hohes Gewicht zu. Bei dem Besuch oder der Organisation von politischen Veranstaltungen sei den Schulen, insbesondere im Vorfeld von Wahlen, generell Zurückhaltung zu empfehlen.

„Im Rahmen einer schulischen Veranstaltung wird der Besuch von Wahlkampfveranstaltungen einzelner Parteien in aller Regel daher nicht in Betracht kommen“, stellt der Erlass fest. „Überdies folgt aus dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien nach ständiger Rechtsprechung, dass diese grundsätzlich formal gleichbehandelt werden müssen.“

Schule nicht für Wahlpropaganda instrumentalisieren

Dazu gibt es demnach vom NRW-Schulministerium seit 2010 unveränderte Hinweise. Dort heißt es etwa, die politische Neutralität der Schule verbiete es Schulleitern, Werbematerial politischer Parteien oder Einladungen zu parteipolitischen Veranstaltungen an das Lehrerkollegium, die Schüler oder die Eltern weiterzuleiten. „Schule darf nicht als Postverteilstelle für parteipolitischen Werbung genutzt werden.“

Die SPD-Opposition sprach dagegen von politischer Bildungskapitulation und forderte, den Erlass zurückzunehmen. Er sei Ausdruck eines völlig falsch verstandenes Zurückhaltungsgebots, kritisierte die schulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Dilek Engin. „Es kann keine Neutralität gegenüber unserer Verfassung geben.“ Das nütze nur denen, die nicht aufklären, sondern Verwirrung und Verunsicherung stiften wollten.

Bildungsgewerkschaft verlangt Haltung

Ähnlich sieht das die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „In einer Zeit, in der Rechtspopulisten "Remigration" zu ihrem Parteiprogramm erklären, in der eine in Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Partei ihre menschenverachtende und demokratiefeindliche Position vorantreibt, gilt es gerade in Schulen aufzuklären“, forderte die Landesvorsitzende Ayla Celik. „Neutralität ist hier nicht nur kontraproduktiv, sondern Wasser auf die Mühlen der Hasser und Hetzer.“

Schließlich sei Schule ein Ort der Wertevermittlung und Demokratiebildung, unterstrich die GEW. „Als solche kann und darf sie nicht politisch neutral sein.“

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(dpa)