WZ-Serie Wandern auf den Spuren des Bergbaus – Teil 4: Alte-Haase-Weg Nord Der Malakowturm weist den Weg durch die Waldstücke
Sprockhövel · Längst hat der Strukturwandel im Ruhrgebiet das Gesicht der Landschaft rund um Sprockhövel verändert. Zur Zeit des Bergbaus dürfte die Umgebung der ältesten Kohlenfundstätte Deutschlands gespickt gewesen sein mit Fördertürmen, die Erde darunter durchlöchert wie ein Schweizer Käse.
Christina Herrmann ist Kassiererin im Heimatverein und hat sich in die Geschichte des Bergbaus schon tief eingearbeitet.
Sie betreut besonders den Bergbauwanderweg, der das Wahrzeichen von Sprockhövel zum Symbol hat: Den Malakowturm, der wie ein Bollwerk hoch über den Gebäuden der Zeche „Alte Haase“ wacht und seinen Namen von der Festungsanlage Fort Malakow in Sebastopol hat.
Zwar wurde die Festung nach drei Jahren des Krim-Krieges 1856 eingenommen, doch die kompakte Architektur war europaweit bis ins 19. Jahrhundert hinein ein Symbol für Monumentalität, Macht und Stärke. Die besondere Konstruktion ermöglichte es, die großen Förderscheiben zu halten und die enormen Zugkräfte der Fördermaschinen aufzunehmen.
Die schön gestalteten Hinweistafeln, die alle Sehenswürdigkeiten auf den Bergbauwanderwegen zeigen und erklären, beginnen für diesen Weg vor der Gasstätte „Zum Dorfkrug“, nachdem der Startpunkt der Wanderung tatsächlich ein wenig höher auf der Hauptstraße am Heimathaus liegt. Geschichten und Geschichtliches kann der Wanderer erfahren, etwa dass sich einmal im Jahr die streng hierarchisch organisierte Gesellschaft der Steiger, Betriebsführer und Direktoren hier in der ehemaligen Gaststätte Stöter-Tillmann zum Sprockhöveler Bergmannstag getroffen hat.
Die Streckenführung ist
sehr abwechslungsreich
Am Ende der Veranstaltung seien aufgrund der kulinarischen und hochprozentigen Genüsse die Klassenunterschiede vorübergehend verschwunden, weiß der gleichermaßen unterhaltsam wie auch informativ gestaltete Flyer mit historischen Darstellungen der Gasthäuser, Mundlöcher, Zechenansichten und repräsentativen Wohnsitzen von Kuxenbesitzern (Besitzern von Anteilen an Zechen). Wer hier wandert, kann sich auf eine höchst abwechslungsreiche Streckenführung freuen. Auf vielen Wegen seien nur wenig Fußgänger unterwegs, erläutert Christina Herrmann.
Ein Teil des Weges führt über die alte Trasse der Kohlenbahn, die von malerischen Steinviadukten überspannt wird. Der stilisierte Malakowturm – anders als die Symbole der anderen Wege in Rot gehalten – führt die Wanderer hinein in das Auf und Ab hügeliger Waldstücke, vorbei an landwirtschaftlichen Flächen, Weiden, Wiesen und Feldern. Eben ist der Weg tatsächlich nur auf der Glück-Auf-Trasse.
In Waldstücken, über malerische Lichtungen oder durch tiefe Falten in der Landschaft geht es oftmals recht steil bergauf und bergab, nachdem man im Malakow-Park riesige Maschinenteile bestaunen konnte: Darunter etwa eine Brikettpresse, einen Dampfhammer oder ein riesiges Lüfterrad, das frische Luft Untertage geschaufelt hat. Hier gähnt auch das Mundloch des Wasserstollens zum Schacht „Juli“. Dies sei der Vorname einer Kuxenbesitzerin gewesen, erläutert Christina Herrmann. Ein ehemaliges Grubenfahrrad hat viel Ähnlichkeit mit modernen Lastenfahrrädern.
Wer sich auf die geschichtsträchtige Wanderung macht – der gesamte Rundweg hat eine Länge von etwa 9,6 Kilometern, die durch das Umland von Niedersprockhövel führen – wird vielen bergbaulichen Fachbegriffen begegnen: Schacht, Stollen und Flöz gehören dazu. Viele Zeichnungen auf den Hinweistafeln zeigen einen Querschnitt durch die Hügel, die das Faltengebirge aufgeworfen hat und die das schwarze Gold beherbergten. Im Vergleich zur flachen Region Ruhrgebiet sei die Gegend um Sprockhövel aufgrund ihrer Topografie doch recht mühselig zu erschließen gewesen, so Christina Herrmann. Auch dieser Weg sieht verschiedene Abkürzungsmöglichkeiten auf einer Mindestlänge von gut 3,5 Kilometern vor.
Den großen Nutzen des Strukturwandels für die Region sieht Herrmann darin, dass die Landschaft auf diese Weise erhalten bleibt, denn aufwendige Bauprojekte sind aufgrund des instabilen Untergrundes nicht möglich. Wer in der Region einen Neubau errichtet, kann dies aus Sicherheitsgründen nicht ohne Bodengutachten tun. Am Flözaufschluss „Flöz Schieferbank“ kann man diagonale Gesteinsschichten sehen, man wandert an den frühen Schächten und Pingen von Alte Haase vorbei und gelangt zum Stollen der Kleinzeche Hoffnungsthal Teufelsburg.
Expertise eines Bergmanns
wird wie ein Schatz gehütet
Die Stollenzeche Johannessegen und der Endpunkt der Pferdeschleppbahn liegen an diesem Wanderweg ebenso wie etwa der repräsentative Hof Waskönig oder der Hof Dodtbruch. Endpunkt ist der Alte Bahnhof Sprockhövel, in dem ein Café zur Rast einlädt.
Theoretisch könne man unterirdisch von Niedersprockhövel bis nach Herzkamp laufen, zaubert Christina Herrmann ein Bild von einem verzweigten unterirdischen Stollennetz in die Köpfe der Wanderer, und selbst der Abraum, das Gestein, sei ein kostbarer Baustoff gewesen. Vieles ist zwar auf den ersten Blick gar nicht wahrnehmbar, weil die Natur manchen Zeugen der Bergbauzeit überwuchert hat.
Aber die präzisen Wegbeschreibungen und Erklärungen im Wanderführer „Die Spur der Kohle – Route 2 – Alte Haase Nord“ führen den Wanderer sicher zu den Sehenswürdigkeiten und ‚lost places‘. Der verstorbene Bergmann Klaus Leye, der auf der Zeche „Alte Haase“ arbeitete, ist der Autor der fachlichen Erläuterungen. Seine Expertise hütet das Team des Heimatvereins mit seinen Partnern wie einen kostbaren Schatz.