Erschreckende Entwicklung Gewaltbereitschaft von Männern in der Pandemie steigt
Sprockhövel · Im Ennepe-Ruhr-Kreis gab es am „Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen“ einen runden Tisch.
Am internationalen Tag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen schaute der Runde Tisch gegen Gewalt an Frauen und Häusliche Gewalt im Ennepe-Ruhr-Kreis am Donnerstag besonders darauf, welche Auswirkungen die Pandemie auf das Ausmaß und die Formen von Gewalt hat.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen den offiziellen Statistiken und den dramatischen Berichten gewaltbetroffener Frauen so Andrea Stolte, Leiterin der Frauenberatung Gesine. In Übereinstimmung mit jüngsten bundesweiten Studienergebnissen, berichten Frauen auch im Ennepe-Ruhr Kreis von einer Zunahme gewalttätiger Übergriffe und aggressiven Verhaltens durch ihre Partner. Hierbei komme es nicht nur häufiger zu Übergriffen, auch die Schwere der Gewalt nimmt deutlich zu. Das zeigt sich so nicht unbedingt in der Zahl der Strafanzeigen oder Gerichtsverfahren.
So nahmen diese bundesweit im Jahr 2020 um 4,9 Prozent zu, während die Anrufe beim Hilfetelefon im gleichen Zeitraum um 15 Prozent stiegen. „Viele Frauen versuchen in der Krise, trotz schwerer Gewalt oder häufiger Wutausbrüche des Partners, die Familie zusammenzuhalten. Familien – und hier vor allem Frauen – sind auch zunehmend isoliert und sehen kaum Wege, ihre Situation zu verändern “, so Christina Schulz, Mitarbeiterin der Frauenberatung.
Auch in anderen Bereichen ist eine deutliche Zunahme von Gewalt gegen Frauen zu verzeichnen. Ob in sozialen Netzwerken, Clubs oder am Arbeitsplatz. Gewaltbereite Männer steigern die Häufigkeit und Intensität ihrer Übergriffe auf Frauen aber auch auf Kinder. Die Fälle von Kinderpornographie und andere Formen pädokriminellen Verhaltens steigen und durch den hohen Ermittlungsdruck zeigt sich diese Steigerung auch in den offiziellen Statistiken.
Was also tun? Fünf Jahre nach Inkrafttreten der Istanbul Konvention – dem Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Häuslicher Gewalt hat der Runde Tisch „Gewalt gegen Frauen“ im EN-Kreis eine Bürgerbefragung durchgeführt. Fast 1100 Menschen haben sich daran beteiligt und dabei mitgeteilt, wo es ihrer Meinung nach lang gehen soll. Der Psychologe Stephan Jansen von Gesine-Intervention wertet die Daten derzeit aus und stellt überrascht fest: „Über die Hälfte der Befragten kennt eine gewaltbetroffene Frau. Aber viele wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Andere kennen einzelne Angebote, halten das Unterstützungssystem aber für unzureichend“.
Zu wenig Frauenhausplätze sind seit Jahren ein Problem, sagt Marion Steffens, Geschäftsführerin von Gesine-Intervention – unter diesem Dach hat der gemeinnützige Verein Frauen helfen Frauen EN e.V. seine Organisationen zur Gewaltprävention und zur Unterstützung der Opfer zusammengeführt. Ihre Kollegin Andrea Stolte ergänzt, „auch im Beratungsbereich sind die Ressourcen knapp. Die Beratungszahlen steigen und der Unterstützungsbedarf der einzelnen Frauen ist zeitgleich mit der Pandemie gewachsen. „Wir merken, dass die psychischen Belastungen – auch jenseits körperlicher Gewalt – zunehmen“, so Andrea Stolte. Hinzu kommen 240 polizeiliche Faxe von akuter Häuslicher Gewalt allein bis Ende Oktober. Damit sind die Kapazitätsgrenzen der Frauenberatung überschritten. Die Landesregierung hat angekündigt, hier Entlastung zu schaffen.
Wo fängt Gewalt an? Welche Warnsignale deuten auf erhöhte Gefahr hin? Was kann ich tun, wenn eine Frau in meinem Bekanntenkreis oder untern meinen Kolleginnen von Gewalt durch den Partner betroffen ist. Welche Hilfe gibt es nach einem sexuellen Übergriff und wo? Soll ich einen gewalttätigen Mann aus meinem Bekanntenkreis direkt ansprechen? Fragen, auf die Gesine-Intervention mit dem Frauenhaus, der Frauenberatung und Toni, dem Angebot für gewaltaktive Männer und Frauen spezialisiert ist.