SPD hat in elf Jahren 4.000 Stimmen verloren
Die Hoffnungen der Sozialpolitiker ruhen jetzt auf CDU-Mann Ralf Brauksiepe.
Sprockhövel/ Berlin. Von der einstigen SPD-Macht ist auch in Sprockhövel nicht mehr viel geblieben. Zwar schnitten die Sozialdemokraten mit 31,9 Prozent bei der Bundestagswahl - wie übrigens auch 2005 - um fast neun Prozentpunkte besser ab als im Bundesschnitt, aber das tröstete SPD-Fraktionschef Klaus Knippschild am Sonntag ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Linke in Sprockhövel mit 2,6 Prozent nur unterdurchschnittlich zugewinnen konnte. Sein Fazit: "Ich denke, am meisten haben uns die Nichtwähler weh getan."
Das dürfte jedoch nur die halbe Wahrheit sein. Zum Vergleich: Bei mit 20.820 annähend gleicher Zahl an Wahlberechtigen hatten mit 16.407 Wählern über 1.000 weniger ihre Stimme abgegeben als vor vier Jahren. Die SPD selbst, die 1998 noch 9.111 Stimmen (51,1 Prozent) in Sprockhöveler erhalten hatte (jetzt 5.182), verlor gegenüber 2005 gut 2.300 Stimmen. Die CDU blieb demgegenüber seit 1998 nahezu konstant.
Ein anderes Phänomen beobachteten die Wahlhelfer plastisch anhand der Stapel von Erst- und Zweitstimmen. "Der Zweitstimmen-Stapel bei der FDP war deutlich höher, die Leute haben offensichtlich ganz bewusst die Konstellationen schwarz-gelb gewählt", sagte Helga Wieland Polonyi (CDU).
Als sie von "Leihstimmen" sprach, winkte Sprockhövels FDP-Chef Bodo Middeldorf energisch ab, musste aber einräumen, das selbst er mit einer nochmaligen Steigerung des Sprockhöveler Kommunalwahlergebnisses von 14,3 Prozent nicht gerechnet habe. In Sprockhövel hätte Schwarz-Gelb mit zusammen 44,9 Prozent eine Mehrheit allerdings verfehlt, holte der fiktive Block SPD, Grüne, Linke die Hälfte der Stimmen.
Obwohl auch die Grünen ihr bestes Bundestagswahlergebnis in Sprockhövel erzielt hatten, hielt sich die Freude bei Fraktionschefin Britta Altenhein mit der Aussicht auf Schwarz-Gelb im Bund in engen Grenzen. "Es kann durchaus sein, dass jetzt die außerparlamentarische Opposition wieder gestärkt wird", sagte sie mit Blick auf einen befürchteten Ausstieg vom Atomausstieg oder eine mögliche Schwächung von Arbeitnehmerrechten.
Dass Letzteres nicht passiert, dafür ruhen einige Hoffnungen auf dem Hattinger CDU-Bundestagsabgeordneten Ralf Brauksiepe. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christdemokratischen Arbeitnehmerschaft gehört im neuen Regierungsbündnis nun plötzlich zum "linken Flügel". "Bei mir haben seit gestern auch schon einige Gewerkschafter angerufen, gratuliert und gleichzeitig um Gespräche gebeten", sagte er am Dienstag am Telefon in Berlin der WZ.
Das Wichtigste sei es nun aber erst einmal die Wirtschaft in Gang zu bringen. Da werde die Arbeitsmarktpolitik im neuen Koalitionsvertrag mit den Liberalen sicher nur flankierend sein. Mit seinem Ergebnis im Ennepe-Ruhr-Kreis war er nicht ganz zufrieden, obwohl er mit 0,5 Prozentpunkten weniger verloren hatte, als seine Partei.
Genau im SPD-Schnitt hielten sich die Verluste von Christel Humme bei den Erststimmen. Auch sie war am Dienstag in Berlin, um als stellvertretende Bundesvorsitzende an der Sitzung des Bundesvorstands teilzunehmen. "Erst einmal habe ich mich gefreut, dass ich das Direktmandat wieder geholt habe", sagte sie. Dass ihre Partei nach elf Jahren Regierungsverantwortung abgeben müsse, nannte sie traurig, andererseits biete sich die Gelegenheit, das eigene Profil wieder deutlicher zu machen.