Politikstunde einmal live
Oberstufenschüler organisierten eine Fragerunde mit Bundestagskandidaten. Ziel: Unterschiede herausarbeiten und Interesse für die Wahl am Sonntag wecken.
Sprockhövel. "Wie will ihre Partei arbeitssuchende Menschen auf dem Weg zu einem neuen Job unterstützen? Können die erneuerbaren Energien schon die Atomkraft ersetzen? Sollte das Erststudium nicht für alle kostenlos sein? Mit diesen und weiteren Fragen versuchten die Oberstufenschüler der Sozialwissenschaftskurse gestern fünf Bundestagskandidaten aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis auf den Zahn zu fühlen. Politik als praktischer Unterrichtsinhalt, dem am Nachmittag alle gut 200 Oberstufenschüler zwei Schulstunden lang folgten.
Viele von ihnen dürfen am Sonntag zum ersten Mal selbst wählen. Und wen man im Anschluss auch fragte: "Klar, gehe ich hin", war die Antwort. Was sie wählen, da sind sich allerdings noch nicht alle so sicher wie Kerstin Hesse (19), die zu den Schüler-Moderatoren gehörte. Studiengebühren und erneuerbare Energien, dass seien für sie die ausschlaggebenden Themen. Ein Wahlomat im Internet habe sie dann zu ihrer Wahlentscheidung gebracht. Das Interesse dafür habe der Sowi-Kurs geweckt, in dem Junglehrer Thorben Paßmanns die Idee für eine Podiumsdiskussion aufbrachte - die einzige überhaupt in Sprockhövel im Bundestagswahlkampf.
Zunächst wurden in den Kursen die Paerteiprogramme unter die Lupe genommen und Fragen erarbeitet, dann die Politiker eingeladen. Das erste Erfolgserlebnis: "Selbst so kurz vor dem Wahltermin hatten sich alle dafür Zeit genommen." Die nächste Überraschung gestern: Die können sich an Regeln halten und fahren sich nicht wie so oft im Fernsehen ständig ins Wort.
Höchstens zwei Minuten pro Statement und keine Entgegnungen war eine der Vorgaben. Als Carmen Knollmann (CDU) sich meldete, ob sie denn zu der Aussage von Ex-Richter Wolfgang Pauli, Arbeit sei ein Grundrecht, etwas sagen könne, meinte Mit-Moderator Marcel Wenner streng: "Jetzt nicht" und erntete dafür tosenden Applaus seiner Mitschüler. Knollmann hielt sich auch brav zurück, bis sie doch aufgerufen wurde, um klarzustellen, dass es im Grundgesetz das Recht auf freie Wahl einer Arbeitsstelle, nicht aber auf Arbeit gibt." Applaus.
Konkrete Antworten wurden generell sofort mit Beifall quittiert. Auch als Grünenkandidatin Karen Haltaufderheide auf Knollmanns Statement zur Atompolitik - auch die CDU sei für einen Atomausstieg, nur brauche man die Atomkraft derzeit noch als Brückentechnologie, meinte: "Komisch, dass sie dann den Atomkraftanteil noch steigern wollen", gab es Applaus.
Am größten war das Interesse, als es um das Thema-Studiengebühren ging. Quasi ein Heimspiel hatte Ex-Gesamtschullehrerin und SPD-Bundestagsabgeordnete Christel Humme, die sich für die Abschaffung der Gebühr aussprach und längeres gemeinsames Lernen forderte. Ex-Hochschulrektor Konrad Schily (FDP) wünscht sich Bildungsgutscheine für eine begrenzte Studienzeit. Zwischenfrage von Junglehrer Markus Hilper, bis vor wenigen Jahren noch selbst Student: "Wie soll das funktionieren? Einigen meiner Studionkollegen wurde das Bafög gestrichen und sie mussten doch Studiengebühren bezahlen, wenn sie ein Prüfung nicht bestanden oder bestimmte Kurse wegen Überbelegung nicht bekommen haben." Wieder Applaus.
Zum Faktencheck der Politiker-Äußerungen war gestern keine Zeit. "Wir werden die eine oder andere Antwort aber im Unterricht analysieren", versprach Sowi-Lehrer Thorben Paßmanns. Dass man als Lehrer zu strenger Neutralität verpflichtet sei, sei zwar manchmal schwierig, bei den Schülern darum zu werben, sich für Politik zu interessieren aber selbstverständlich.