Wenn Einschenken zur Herausforderung wird
Awo-Mitarbeiter versetzten sich in die Rolle Behinderter.
Sprockhövel. Mit zögerlichen Schritten tastet sich Anke Sichelschmidt zum Küchentisch vor. Im verdunkelten Raum mit Schlafbrille und Blindenstock fühlt sie am eigenen Leib, wie es ist, alltägliche Aufgaben trotz Sehbehinderung zu lösen. Rund 180 Mitarbeiter haben am Freitag bei der Awo-Fachtagung zur Gleichstellung von Behinderten das Thema nicht nur theoretisch betrachtet, sondern bei praktischen Übungen erlebt.
„Die Awo im Bezirk Ennepe-Ruhr will damit zeigen, was es heißt, mit Beeinträchtigungen den Alltag zu meistern: Wie ist es, mit dem Rollstuhl nach hinten gekippt zu werden oder wie es sich anfühlt, wenn einem jemand den Mund abwischt“, sagt Heike Wallis-van der Heide vom Awo-Unterbezirk Ennepe-Ruhr.
Kartoffeln und Möhren schälen, ohne das Gemüse, geschweige denn das Messer zu sehen — eine Herausforderung. „Einschenken ist mit Sehbeeinträchtigung eine Herausforderung“, sagt Susanne Arndt und weist ihre Awo-Kollegen in die neue Aufgabe ein: Blind durch einen Hindernisparcours gehen. An dessen Ende warten Aufgaben, die die sehbehinderten Arbeitnehmer in den Behindertenwerkstätten täglich ausüben. „Es fühlt sich schon ungewohnt an, weil die Sinne so beeinträchtigt sind und das Sehen der Sinn ist, auf den man sich am stärksten verlässt“, sagt Sabine Schmitt, „aber man merkt nach der ersten Unsicherheit, dass man sich auf die Sache einlässt und die anderen Sinne geschult werden.“
Sie selbst ist Werkstattbeiratsvorsitzende, ihr Sohn arbeitet in der SMB in Asbeck. Gern hat sie die Chance ergriffen, sich von ihren Kollegen für kurze Zeit in die Lage behinderter Menschen zu versetzen. „Nach diesem Tag werden wir ein anderes Gefühl für Behinderungen entwickelt haben“, ist sich Sabine Schmitt sicher. Auch Heike Wallis-van der Heide ist mit den Ergebnissen zufrieden: „Wer das erlebt hat, der kann viel davon bei seiner Arbeit nutzen und sieht sie mit ganz anderen Augen.“