Tanzhaus NRW zeigt „Holding Present“ Protest als verstörende Klangwelt

Düsseldorf · Ula Sickle präsentiert die deutsche Erstaufführung ihres Stücks „Holding Present“ im Tanzhaus NRW. Sie verlangt dem Publikum akustisch einiges ab.

Schrill und laut: Auch Megafone kamen zum Einsatz.

Foto: Herve Veronese/Herve Veronese/Tanzhaus NRW

Das Publikum war Teil der Performance am Samstagabend im Tanzhaus NRW. Die Choreografin Ula Sickle stellte ihr neues Stück „Holding Present“ vor, das sie gemeinsam mit dem Brüsseler Ensemble Ictus entwickelt hat. Im Kreis angeordnete Bühnenelemente dienten den Zuschauenden als Sitzfläche. Während sie sich noch einen Platz suchten, schwenkte ein Ensemblemitglied lautlos eine große Fahne aus Seidenstoff. Nach einer Weile wurde die Tänzerin von einem Tänzer abgelöst, der ihre Bewegungen zunächst aufgriff, um dann Tempo und Ablauf zu variieren. Mal lag er dabei auf dem Boden, dann schwenkte er die Fahne so stark, dass der Stoff ein sirrendes Geräusch erzeugte, oder er ließ die Seide in sanften Wellen über den Boden gleiten.

Damit war ein wichtiges Element von „Holding Present“ gesetzt. Klang und Bewegung würden die rund 90 Minuten bestimmen – allerdings anders, als man es üblicherweise bei einer Tanzperformance erwartet. Denn Ula Sickle hatte sich Unterstützung von Ictus geholt, einem auf zeitgenössische Musik spezialisierten Ensemble aus Brüssel, das keine Angst vor verstörender Kakofonie hat und Klangwelten auf ungewöhnlichen „Instrumenten“ erzeugt.

Kaum hatte der Fahnenschwenker die Manege verlassen, trat ein Performer in die Mitte, um minutenlang enervierend eintönig eine Triangel zu schlagen. Tänzerinnen und Tänzer schälten sich aus dem Publikum. Ein Individuum setzte Bewegungen in Gang, die von den anderen aufgenommen und so zu einem Massenphänomen wurden. Ictus nutzten den Raum, um immer wieder neue Töne zu erzeugen, mal ließen sie Aluminiumrohre singen, dann trieben sie eine Tänzerin mit verschiedenen Pfeiftönen an, sich im Kreis immer schneller zu drehen, nutzten Megaphone oder schlugen Steine aneinander.

Im Kreis angeordnete Strahler tauchten die Performancefläche in gleißendes Licht oder sorgten für stroboskopartige Effekte. Dem Publikum wurde vor allem akustisch einiges abverlangt. Die Töne waren oft kurz vor der Schmerzgrenze und nur noch mit den zuvor verteilten Ohrstöpseln zu ertragen.

„Holding Present“ sei, so die Erklärung der Choreografin, inspiriert von Protest. Davon gibt es in letzter Zeit ja reichlich. Die Möglichkeiten, dies künstlerisch aufzuarbeiten, sind entsprechend vielfältig. Sickle und Ictus haben sich für eine eher abstrakte Variante entschieden, die sich dem Publikum leider nur schwer erschloss.

Die verschiedenen Töne waren dabei eine Art Impulsgeber für die Tanzenden, die sich vom Individuum zur Gruppe formierten, um schließlich die Grenze der so genannten kritischen Masse zu überschreiten. Das ist der Moment, in dem alles passieren und ein friedvoller Protest in Aggression umschlagen kann.