Peter Beyers Bilanz Trump und der politische Flurschaden

Kreis Mettmann · Peter Beyer war Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung und kennt die USA aus unterschiedlichen Perspektiven. Seit 100 Tagen ist Donald Trump nun im Amt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete für den Nordkreis zieht in einer Gastkolumne Bilanz.

Peter Beyer ist zum fünften Mal in den Bundestag eingezogen.

Foto: Achim Blazy (abz)

Ich denke in diesen Tagen oft an die Jahre 2000/2001 zurück: Ich praktizierte bereits als Rechtsanwalt in Deutschland und war entschlossen, mir einen lang gehegten Traum zu erfüllen – ein Jahr in den USA zu studieren. Gesagt, getan. Die Hauptstadt Washington lag nur zwei Autostunden entfernt und bot als Wochenendziel für meine Freunde und mich oft eine willkommene Abwechslung. Ich erwähne das, weil die USA zwar auch schon damals gespalten waren (Bill Clintons Nachfolger George W. Bush gewann mit einer der knappsten Entscheidungen in der US-Geschichte), die Stimmung aber nicht – wie heute – von Hass und Ausgrenzung dominiert war.

Donald Trump ist zurück. Und wie! Genau 100 Tage im Amt, hat er mit einer Flut an Präsidialerlassen gezeigt, dass er einer der mächtigsten US-Präsidenten der Geschichte ist. Der dysfunktionale Kongress, eine ihm hörige republikanische Partei und eine orientierungslose demokratische Opposition tragen nicht dazu bei, Trumps außenpolitischem Furor, seiner ökonomischen Unberechenbarkeit und seiner Verachtung multilateraler Prinzipien Einhalt zu gebieten. Der Mann, der einst versprach, „America“ wieder „great“ zu machen, ist auf dem besten Weg, es nach außen zu isolieren und im Innern wirtschaftlich zu schwächen.

Wirtschaftlich ist der Preis enorm. Die konfrontative amerikanische Zollpolitik, von Trump als „Liberation Day“ gefeiert und als Startschuss für ein „Goldenes Zeitalter“ angepriesen, hat nicht nur an den Finanzmärkten Schockwellen ausgelöst. Sie trifft insbesondere auch die Handelspartner hart. Für Deutschland als Exportnation sind Strafzölle auf Industrieprodukte ein direkter Angriff auf unsere wirtschaftlichen Interessen. Noch schwerer wiegt jedoch der politische Flurschaden, der Vertrauen unter engen Verbündeten in Rekordzeit zerstört hat. Investoren flüchten aus dem Dollar, drangsalierte Spitzenforscher orientieren sich nach Europa.

Das kann, das muss zur Stunde Europas werden. Wir müssen eigenständiger entscheiden – politisch, wirtschaftlich und sicherheitspolitisch. Eine neue Außen- und Sicherheitspolitik muss mit neuen und vertieften Partnerschaften auftrumpfen, bspw. mit Kanada, Südkorea, Japan, Indien, Australien und den Wertepartnern in Lateinamerika. Diese Allianzen sind zum Teil erfreulich weit fortgeschritten. Realismus gepaart mit Pragmatismus muss zu einem nüchternen Dialog mit China führen und ebenso zu einem schrittweisen Aufbau einer echten europäischen Verteidigungskompetenz. Dazu gibt es bereits einige hoffnungsvolle Initiativen wie das European Sky Shield und der Ausbau eigener Verteidigungsindustrien.

Gleichzeitig wächst in Europa das Bewusstsein, dass Abhängigkeiten – ob im Energiebereich, in der Rüstung oder in der Technologie – ein Risiko darstellen. Der naive Glaube, man könne Trump allein dadurch besänftigen, indem man in den USA auf Einkaufstour geht, gehört der Vergangenheit an. Es geht nicht um eine Gegnerschaft zu den USA als Ganzes, sondern wir müssen klar unterscheiden zwischen Präsidenten und Gesellschaft. Billiger Anti-Amerikanismus war schon immer allzu wohlfeil und niemals das richtige Konzept. Die transatlantische Partnerschaft, die Westbindung war nie ein Automatismus – sie war eine bewusste politische Entscheidung. Diese müssen wir jetzt erneuern, realistisch und interessen-fokussiert. In der Anwendung von „soft power“ (Diplomatie) gepaart mit dem Aufbau von „hard power“ (Verteidigungsfähigkeit) liegt die Chance für Europas Zukunft.

Schon in wenigen Tagen werde ich erneut zu politischen Gesprächen in Washington sein und mich unter anderem mit Beratern aus Trumps engstem Kreis treffen. Im Dialog zu bleiben und dabei die Chance nutzen, für den eigenen Standpunkt zu werben, war immer Kern meiner außenpolitischen Arbeit.