30-Millionen-Euro-Prozess: Haupttäter oder nur Gehilfen?

Staatsanwaltschaft und Verteidigung stellten gestern ihre Strafanträge. Ein Urteil wird am Donnerstag erwartet.

Wuppertal. Gemeinsam sollen sie einen Steuerschaden von mehreren Millionen Euro angerichtet haben. In ihrem letzten Wort sprachen die drei Angeklagten gestern von "kaufmännischen Fehlentscheidungen". Die Staatsanwaltschaft sah in der Vorgehensweise deutliche Züge des organisierten Verbrechens. Der voraussichtlich vorletzte Verhandlungstag im Prozess um Steuerbetrug um insgesamt 30 Millionen Euro machte gestern noch einmal deutlich, wie weit die Einordnung der Anklage auseinander geht.

Laut Anklage sollen elf Beschuldigte - darunter fünf Wuppertaler - ein kompliziertes Geflecht aus echten und erfundenen Firmen rund um den Verkauf von DVD-Brennern und Computerteilen aufgebaut haben. Dabei sollen sie den Fiskus um rund 30 Millionen Euro betrogen haben. Sieben Angeklagte wurden für ihre Beteiligung bereits zu Strafen zwischen einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung bis hin zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Verfahren gegen die einzige Frau unter den Angeklagten - eine ehemalige Nachtclubtänzerin - wurde eingestellt.

Für den Staatsanwalt stand gestern fest: Die drei verbliebenen Angeklagten sind Täter und nicht nur Gehilfen. Das hinterzogene Geld hätten sie für ihren "aufwändigen Lebensstil" verwendet: "Hier sitzen die Haupttäter des Verfahrens", sagte der Staatsanwalt gestern. Er forderte die inzwischen vereinbarten Höchststrafen von vier und fünf Jahren.

Von Haupttätern mochten die Verteidiger nicht sprechen. Sie erklärten, der 38-jährige Angeklagte aus Essen etwa sei kein Drahtzieher, möglicherweise nur Gehilfe gewesen. Ein 34-jähriger Wuppertaler habe nur kurz eine Rolle im Geschehen gespielt, sei im Gesamtgefüge "kein Haupttäter". Und auch ein 37-jähriger Wuppertaler habe zwar überall mitgespielt, sich aber nicht in die erste Reihe gestellt. Den Ausführungen der Verteidigung nach, hatte keiner der Drei eine führende Rolle im komplizierten Steuer-Geflecht.Die Angeklagten selbst räumten in ihrem letzten Wort ein Fehlverhalten ein, mit dem sie auch der Gesellschaft geschadet hätten. Entschuldigungen gingen gestern an die Adresse der eigenen Familien. Einige der Angeklagten sollen bereits mit der Schadenswiedergutmachung begonnen haben.

Zum Prozessauftakt hatte sich das Landgericht im Februar vehement gegen einen "Deal" zur Vereinbarung von Strafobergrenzen ausgesprochen. Gleichwohl, so Richter Helmut Leithäuser seinerzeit, müssten die Hauptakteure nach ersten Einschätzungen mit etwa fünf Jahren Haft rechnen. Fünf Monate und 22 Verhandlungstage später sahen sich die Prozessbeteiligten gestern doch mit Strafobergrenzen konfrontiert. Ursache war ein im Mai aufgetauchter Koffer mit neuen Beweismitteln (die WZ berichtete). Der Fund drohte zwischenzeitlich den Prozess platzen zu lassen. Jetzt wird es doch ein Urteil geben - voraussichtlich am Donnerstag.