Bahn bohrt Tunnel probehalber an
Das Bauwerk Rauental braucht eine Erweiterung.
Rauental. Der Zug mit der Arbeitsbühne steht zur Hälfte im Tunnel. Von dort aus dringt der Bohrer immer tiefer in den Fels vor. Kühlwasser plätschert heraus. Bis zu zwölf Meter arbeitet sich die Maschine im Gestein voran. Was sie zutage fördert, lagert Bohrmeister Udo Weber in groß gezimmerte Holzkisten ein. „Die Gesteinsproben schicken wir zur Analyse ins Labor. Die Geologen müssen dann entscheiden, wie wir vorgehen können“, sagt Hans Günter Gewehr. Als Projektleiter der DB-Netz AG ist er für die Probebohrungen am Rauentaler Tunnel verantwortlich.
Die beiden Röhren mit dem in Stein gemeißelten Baujahr 1897 sind nicht mehr zeitgemäß. „Sie entsprechen nicht dem Regelwerk, da beispielsweise keine Sicherheitsräume vorhanden sind. Darauf hat vor 120 Jahren noch niemand Wert gelegt“, sagt Hans Günter Gewehr. Doch bevor die Bahn die Tunnel verbreitern kann, braucht sie Gewissheit, wie die einzelnen Gesteinsschichten beschaffen sind.
„Denn direkt über dem Tunnel gibt es Wohnbebauung und die Häuser sollten die Bauarbeiten möglichst schadlos überstehen.“ Als besonders kritischen Punkt betrachtet der Ingenieur die Felswand zwischen den beiden Tunnelröhren. „Sie ist nur drei Meter dick und da haben wir kaum noch Handlungsspielraum, um etwas abzutragen“, sagt Hans Günter Gewehr. Aus zwei engen Röhren eine breite zu machen, ist für ihn jedoch nur eine Notlösung. „Das brächte erhebliche Verkehrsprobleme mit sich, wenn wir für die gesamte Bauzeit beide Röhren sperren müssten.“
Derzeit rollt die S7 über die Strecke, die Solingen, Remscheid und Wuppertal miteinander verbindet. Durch den einspurigen Verlauf lässt sich der Regelverkehr gerade noch so abwickeln. „Doch fünf Züge mehr am Tag wären nicht mehr zu verkraften. Wir brauchen die zweite Röhre unbedingt, um nicht auf Dauer Verspätungen zu produzieren.“
Damit langfristig zweigleisig Züge durch den Tunnel rollen können, bleibt voraussichtlich nur eine Erweiterung der Röhren nach außen. Daher haben die Experten sicherheitshalber auch den Langerfelder Tunnel angebohrt. Er war einst die Verbindung nach Schwelm, die Schienen sind allerdings schon längst verschwunden. „Wenn wir in diese Richtung ausbauen, müssen wir wissen, wie das Gestein beschaffen ist“, sagt Hans Günter Gewehr.
Der Kalkstein hinter dem Mauerwerk sollte möglichst kompakt sein und nicht von Trennschichten oder Einlagerungen durchzogen sein. „Das sieht bisher aber ganz gut aus“, sagt Udo Weber. Unter seiner Leitung hat sich die Maschine in unterschiedlichen Richtungen mit einer Geschwindigkeit von fünf Zentimetern pro Minute in den Fels gefressen, um sein Innerstes ans Tageslicht zu fördern. „Wir haben sieben Tunnelquerschnitte, wo wir uns vertikal sowie rechts und links in unterschiedlichen Winkeln vorarbeiten“, berichtet der Bohrmeister.
Die Proben aus den insgesamt 92 Löchern sollen den Geologen schließlich einen gründlichen Überblick ermöglichen. „Unser Ziel ist, mit einer Länge von 1,20 Meter abzubohren. Danach müssen wir den Kern entfernen und neu ansetzen“, berichtet Udo Weber. Die Prozedur dauert jeweils bis zu einer halben Stunde. „Wir arbeiten derzeit Tag und Nacht, sonst schaffen wir es nicht.“
Die Bohrungen im laufenden Betrieb waren eine besondere Herausforderung. „Dafür blieben uns nachts nur die vier Stunden zwischen 0.30 und 4.30 Uhr.“ Anfang kommender Woche sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.