Gesellschaft Barrierefreiheit in Wuppertal: „Für manche Menschen sind Hürden wie der Kilimandscharo“
Mehr als nur Stolperkanten: Die Diskussion um Barrierefreiheit in Wuppertal setzt sich fort.
Welche Defizite die Stadt bei der Barrierefreiheit besitzt, sorgt weiter für Diskussionen, aber auch für Motivation. Wie die WZ berichtete, hat die SPD im Bundestag die Forderung eingebracht, barrierefreie Zugänge im öffentlichen Raum – etwa bei Treppen zu Geschäften – zur Pflicht zu machen. Organisationen in Wuppertal unterstützen diese Absicht und sehen in der Stadt diverse Notwendigkeiten – nicht nur für Rollstuhlfahrer.
„In Wuppertal hat sich in den letzten Jahren zwar einiges in Richtung Barrierefreiheit getan, aber der mobilitätseingeschränkte Mensch steht an unseren Straßen und Gebäuden oft noch vor dem Kilimandscharo, dessen Besteigung unmöglich ist“, beschreibt es Christel Longrée vom Beirat der Menschen mit Behinderung. Eine Begehung, die in Cronenberg exemplarisch durchgeführt wurde, habe gezeigt, dass die wenigsten Geschäfte einen barrierefreien Eingang haben – „und auch eine einzige Stufe ist eine Kante“, so Longrée. Die Bürgersteige seien nicht durchgängig eben, Pflastersteine verrutscht und somit eine Stolperkante.
„Bei den städtischen Gebäuden sind die Zugänge oft so gestaltet, dass es auch für Menschen mit motorischen Einschränkungen und Rollstuhlfahrern möglich ist, die Einrichtung zu benutzen.“ Anders sei dies bei Menschen mit einer Sinnesbehinderung: „Hier fehlen fast überall die notwendigen Orientierungshilfen. Anstatt einen Zebrastreifen an der südlichen Hauptstraße in Cronenberg einzurichten, der einen Halt für Autofahrer anzeigen würde, wurde eine Querungsinsel eingerichtet.“ Hier halte kaum ein Autofahrer, was das Queren der Straße für Menschen, die im Straßenverkehr mehr Sicherheit brauchen, deutlich erschwere.
„Die Kulturstätten und Bäder der Stadt können die Menschen in den meisten Einrichtungen ohne Hilfe besuchen. Da haben der Beirat und die Behindertenbeauftragte der Stadt schon gute Arbeit geleistet.“ Dagegen sei es für Rollstuhlfahrer schwierig, eine Arztpraxis zu finden, bei denen der Rollstuhl in den Aufzug passt – „sofern überhaupt einer vorhanden ist“, sagt Longrée, die seit 35 Jahren als Ergotherapeutin tätig ist.
Barrierefreies Bauen
als Standard ausweisen
Der von der SPD im Bundestag eingebrachte Vorschlag, Rampen gesetzlich verpflichtend zu machen, sei im Beirat seit vielen Jahren ein Thema. „Aber dann kommt die Landesbauordnung und vereitelt das Vorhaben, da Rampen im öffentlichen Raum, wenn sie auf dem Bürgersteig liegen, nicht gestattet sind.“ Sinnvoller wäre es, „wenn die Landesbauordnung barrierefreies Bauen als Standard ausweisen würde.“ Laut Aussagen verschiedener Architekten wäre dies nicht deutlich teurer, die Bedingungen von Barrierefreiheit im Bau von Anfang an mit zu beachten.
Doch insgesamt gebe es das Problem, dass all dies „von der Politik nicht kreativ zu Ende gedacht wird“. Die Begründung: „Kein Geld, kein Personal, kein Material.“ Christel Longrée wäre froh, „wenn die Politik die beschriebenen Themen endlich bearbeitet“. Der Beirat stehe für Gespräche und Beratung „in den Startlöchern“.
Eine Form der Inspiration war im Jahr 2019 vom Wuppertaler Jugendrat eingebracht worden. Dieser hatte, angeregt durch eine Aktion in Köln, die Idee sogenannter Lego-Rampen in die Stadt getragen. Dabei werden aus Legosteinen Rampen zusammengebaut, durch die etwa Rollstuhlfahrern der Zugang zu Geschäften erleichtert wird, wenn diese durch Treppen nicht barrierefrei sind.
Wie Nicole Stollenwerk vom städtischen Kinder- und Jugendbüro auf Nachfrage der WZ mitteilt, habe der Wuppertaler Jugendrat seitdem sechs Rampen gebaut. Davon seien vier Rampen übergeben worden, zwei Rampen befinden sich noch im Kinder- und Jugendbüro der Stadt Wuppertal.
Für die Jugendräte sei es jedoch schwierig, an Legosteine zu kommen, erklärt Stollenwerk. „Neu gekauft sind sie sehr teuer, deshalb haben sie einen Aktionstag ins Leben gerufen, bei dem Legosteine gespendet und Rampen gebaut wurden.“ Der aktuelle Jugendrat sei in diesem Bereich jedoch nicht mehr aktiv.
Im November 2024 stehen die neuen Jugendratswahlen an. „Ich gehe davon aus, dass dann die neu gewählten Jugendräte dieses Projekt wieder aufnehmen.“ Der Jugendrat verfüge noch über Flyer, die darauf aufmerksam machen, dass er laufend Legosteine benötigt, um weitere Rampen bauen zu können. So könnten Legosteine jederzeit im Kinder- und Jugendbüro der Stadt Wuppertal (Zimmer 215 und 216) in der Alexanderstraße 18 in Elberfeld abgegeben werden.