Baustelle: Letzter Gruß der Straßenbahn

An der Nevigeser Straße graben die Bagger alte Schienen aus — Relikte einer vergangenen Ära.

Foto: Historisches Zentrum

Elberfeld. Lange ärgerten sich die Nutzer über den schlechten Zustand der Nevigeser Straße, Reparaturen waren stets nur Flickschusterei. Jetzt aber wird die Straße gründlich saniert. Dabei werden auch die alten Straßenbahnschienen entfernt, die hier noch im Boden schlummerten.

Seit die Asphaltschicht entfernt ist, sind sie sichtbar, die rostigen Metallstränge zwischen Pflastersteinen. Sie wecken bei zahlreichen Wuppertalern Erinnerungen an die Straßenbahn, die seit so vielen Jahren nicht mehr fährt.

Im Mai 1987 endete die Ära der Bahnen, die fast 100 Jahre unterwegs waren, nicht nur Stadtteile, sondern Städte miteinander verbanden. Die Anfänge reichen bis ins Jahr 1874 zurück, als die Pferdebahn zwischen Schwarzbach und Elberfeld-Westende pendelte. Sie wurde ab den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts ersetzt durch elektrische Bahnen.

Mehrere Betreiberfirmen bauten das Streckennetz aus. Die Schienen führten bald weit über die Stadtgrenzen hinaus bis in die umliegenden Nachbarstädte — zum Beispiel nach Remscheid, Solingen, Hattingen, Essen, Mettmann, Heiligenhaus, Hiddinghausen und Ennepetal.

Doch nach dem Krieg waren viele Linien zerstört, wurden nicht mehr wieder aufgenommen. Das sei einer der Gründe, warum der Bahnbetrieb immer weniger rentabel war, vermutet Eberhard Hasenclever (SPD), Bezirksbürgermeister in Langerfeld-Beyenburg.

Er erinnert sich zum Beispiel, dass Schwelm eine Fußgängerzone anlegte, außen herum eine breite Autostraße baute: „Da wollten sie die Straßenbahn nicht mehr.“ So sei es an vielen Stellen gegangen. „Je mehr abgeschafft wurde, desto teurer wurde der Rest. Am Ende war alles zu teuer.“

Der Parallelbetrieb mehrerer Bahn-Systeme sei zu aufwendig geworden: „Die Diskussion begann mit dem Begriffe ,Doppelverkehre’“, weiß er noch. Gemeint war das Nebeneinander von Schwebebahn, Straßenbahn und S-Bahn. Busse sollten effektiver sein. Nach Hasenclevers Erinnerung war sich die Politik damals weitgehend einig bei der Abschaffung der Straßenbahn. Die Bürger seien zwar nicht so begeistert gewesen, aber es habe auch keine Proteststürme gegeben.

Heute blickt er interessiert auf andere Städte, die stark auf Öffentlichen Nahverkehr setzen wie Zürich, wo sein Sohn wohnt. „Das ist attraktiv, da fahren alle mit der Bahn.“ Aber er weiß auch, dass jedes Thema zwei Seiten hat: „Stellen Sie sich zwei Bahnen auf dem Werth vor — da bliebe nicht mehr viel Platz für Fußgänger.“

Volker Dittgen (SPD) erinnert sich ebenfalls an die Diskussion und an Vergleichszahlen pro Sitzplatz und gefahrene Kilometer: „Ich meine, der Straßenbahnplatz kostete 2,60 D-Mark, der Bus 60 Pfennig.“

Ein weiteres Argument sei gewesen, dass die Straßenbahn auf der B7 den Verkehr aufhielt, wenn sie stoppte: „Die Straßenbahn auf dem Mittelstreifen hielt an — dann mussten auch die Autos auf beiden Seiten halten.“ Er selbst sei damals schon engagiert gewesen, politisch mitdiskutiert habe er aber nicht. Eine klare Meinung habe er zur Straßenbahn auch nicht gehabt, räumt er ein. Heute sei einfach klar, dass es vorbei ist.

Ratsherr Wilfried Michaelis (SPD) sagt: „Ich gehörte zu denen, die die Bahn gern erhalten hätten.“ Aber er habe auch verstanden, dass es nicht wirtschaftlich sei. Trotzdem: „Ein bisschen wehmütig bin ich schon.“ Die Schwebebahn sei gerade fit gemacht worden für die Zukunft. „Stellen Sie sich vor, wir hätten auch die Straßenbahn weiter entwickelt.“ Möglicherweise habe man damals nicht lange genug diskutiert.

Die Schienen auf der Nevigeser Straße werden jetzt Stück für Stück entfernt, landen auf dem Schrott. Nach Angaben von Stadtsprecher Thomas Eiting liegen die Straßenarbeiten im Zeitplan: „Wir bleiben dabei, dass wir Mitte oder Ende Oktober fertig sind.“ Im unteren Bereich fehle nur noch die oberste Deckschicht, im mittleren Bereich werden die Schienen entfernt, im oberen Bereich werde auch bereits mit dem Auffüllen begonnen. Als letztes kommt eine einheitliche Deckschicht über die ganze Fläche.