Literatur aus und in Wuppertal Biografie zu Friedrich Engels: Ein Sozialist und Lebemann
Wuppertal · Bücher, die im Bergischen angesiedelt sind: Die WZ gibt Tipps zum Schmökern und Verschenken.
Wer sich dem Wuppertaler Unternehmer Friedrich Engels annähern möchte, kann dies auf verschiedene Weise tun – etwa durch die klassische Biografie von Marlene Ambrosi, die vor vier Jahren zum 200. Geburtstag des voller Widersprüche steckenden Sozialisten und Lebemanns unter dem Titel „Fabrikant, Gefährte, Sozialrevolutionär“ erschien. Oder mit dem 500 Seiten starken Roman „Und morgen eine neue Welt“ von Tilman Röhrig (2021).
Eher als komplexe Variation denn als Einstieg in das Leben des Fabrikantensohns geeignet ist die Graphic Novel „Engels: Unternehmer & Revolutionär“. In dem ebenfalls zum Jubiläumsjahr produzierten Werk geben die drei Autoren und Zeichner Christoph Heuer, Fabian W.W. Maruschat und Uwe Garske der Wuppertaler Persönlichkeit und den Schauplätzen seiner Biografie buchstäblich ein Gesicht. Intellektuell und wohlhabend blickt er vom industriell rostbraunen Cover auf den Leser, doch glücklich beileibe nicht und schwer durchschaubar.
Das gilt auch für die Struktur der Erzählung: Die Autoren setzen Hintergrundwissen voraus; sie bereiten Bruchstücke von 1831 bis 1894 auf und wechseln dabei rasch zwischen Kindheit und Alter, Wuppertal und England. Mit Begriffen wie Freischärler, Konterrevolution, Bourgeoisie und Feudalismus sollte man zudem vertraut sein. Man sieht Engels, wie er mit Karl Marx bei der Neuen Rheinischen Zeitung tätig ist. Wie er durch die dreckigen Viertel von Manchester läuft („Wer wohnt in diesem Unrat?“ – „Arbeiter … Ihre Arbeiter.“) Und seine sterbenskranke Frau kurz vor ihrem Tod ehelicht. Zitate aus dem „Kommunistischen Manifest“ werden ebenfalls visuell verwertet.
Die in schwarzweiß gehaltenen Zeichnungen von Christoph Heuer sind atmosphärisch dicht und reichen von großformatigen Bildwerken – darunter eine Ansicht der Unterbarmer Hauptkirche – bis zu Nahaufnahmen trappelnder Pferdehufe und angsterfüllter Gesichter. Beim Elberfelder Aufstand im Jahr 1849 zeigt sich die Stadt als detaillierte Fachwerksiedlung, in der das Gotteshaus noch alles überragt – auch wenn sich die rauchenden Schornsteine der Industrie bereits hinzugesellen. Doch die Idylle trügt: Barrikaden vor dem Rathaus, Soldaten, Tote. Die Texte changieren zwischen einfachen Äußerungen, die gleichwohl die Philosophie verdeutlichen („Einer ging vor, der andere mit“) bis zu politisch klaren Statements: „Wenn der Antisemitismus etwas ist, dann das Merkzeichen einer zurückgebliebenen Kultur.“
Ein Comic, definitiv für Erwachsene, zumal manche Szenen explizit ausgestaltet sind – etwa wenn der Arm eines Mitarbeiters von einer Maschine abgerissen wird – und letztlich eine ernüchternde Botschaft vorlegen: „Der Tod ist die Auflösung des organischen Körpers, der nichts zurücklässt, als die chemischen Bestandteile, die seine Substanz bildeten. Leben heißt Sterben.“
Christoph Heuer, Fabian W.W. Maruschat, Uwe Garske: Engels: Unternehmer & Revolutionär. Verlag Edition 52, 2020, 156 Seiten, 18 Euro.