Literatur In diesem Roman wird der Döppersberg in Wuppertal zum Schauplatz eines Mords
Wuppertal · Wir machen Lese- und Geschenkelust und stellen Bücher vor, die im Bergischen angesiedelt sind.
Der Wuppertaler Dirk Osygus entschied sich im vergangenen Jahr, seine Heimatstadt zum Schauplatz einer Krimireihe zu machen. Mit zwei Kommissaren, die sich während ihrer Ermittlungsarbeit ständig einen verbalen Schlagabtausch liefern und dennoch ans Ziel kommen. Tätern, deren Motive nie eindimensional sind und mitunter changieren. Sowie einer ehemaligen Staatsanwältin, die sich als Mutter des Hauptkommissars entpuppt und sich gern in die Ermittlungen ihres Sohnes einmischt – wobei der Leser den Eindruck hat, dass diese penetrant angelegte Figur durchaus gegen ihn zu arbeiten versucht. Bislang sind drei Romane erschienen, der dritte Teil unter dem Titel „Selbstverdammt“ kam im Juni 2024 heraus, in dem nicht nur die Staatsanwältin a.D. einen fast wörtlich zu nehmenden Dämpfer bekommt.
Dirk Osygus schafft eine Mischung aus Thriller und Comedy und fokussiert seine 32 kompakten Kapitel auf die Untersuchungen der Polizei. Plastische Bilder und zahlreiche Dialoge bilden seine Stilistik. Für Letztere sind vor allem die zentralen Charaktere Frank Gerste und Corinna Meier zuständig. Während der Hauptkommissar so wirkt, als habe er schon alles erlebt und sich als chauvinistischer Sprücheklopfer und Zyniker inszeniert („Die Twin Towers werden nicht ein zweites Mal eingestürzt sein, Mexiko ist sicher nicht in Texas einmarschiert und meine Mutter sitzt aller Voraussicht nach nicht in U-Haft“), geht seine jüngere Kollegin gesetzter zu Werke und strebt danach, ihren Partner auf die sachliche Schiene zu bringen – was ihr jedoch kaum gelingt.
In der Handlung, die in einem Zeitraum von fünf Tagen spielt und chronologisch erzählt wird, geht der Autor hingegen zunächst nicht zimperlich vor: So beginnt er seinen Krimi mit einer sadistischen Szene, die eine Hommage an den Film „Das Schweigen der Lämmer“ darstellt und in welcher der Protagonist, der mit Wahrheit und Identität spielt, einen Wuppertaler Hoteldirektor ermordet. Aus Rache. „Vor genau zwanzig Jahren haben Sie mein Leben beendet“, offenbart der Täter seinem Opfer, das im Hotelflur von der Decke hängt. Er habe ihn mit seiner „Protzkarre“ über den Haufen gefahren und Fahrerflucht begangen. Jahrelang habe er im Koma gelegen – und als er seine Gedanken ordnen konnte, habe es nur ein Ziel gegeben: „Ihren Tod.“ Dummerweise vertraut ihm der Direktor an, dass er nicht der Fahrer des Wagens gewesen sei – doch dann geht auch schon das Licht aus. Es folgen Bausteine wie Kidnapping, eine zwielichtige Ehefrau, flüchtende Liebhaber, Anklänge an Drogenhandel und Prostitution, ein Safe mit entlarvenden Dokumenten und eine steigende Spannung, die im Showdown, der in einem Fußballstadion spielt, fast filmisch wird.
Wie Dirk Osygus, der am Hahnerberg aufwuchs, kürzlich im Interview mit dem WZ-Podcast „Wuppertaler Auslese“ betonte, sei ihm trotz der Vielzahl an Wendungen eine realistische Vorgehensweise und humorvolle Begleitung wichtig. „Ich brauche nicht die atemlose Spannung von der ersten bis zur letzten Seite, und ich brauche auch nicht 127 Tote darin.“ Um wirklich dem Markt der Regionalkrimis gerecht zu werden, benötigt die Krimireihe indessen mehr als eine Verortung an austauschbaren Schauplätzen wie einem Hotel am Döppersberg, einer Villa am Toelleturm, der Ronsdorfer Talsperre und dem Stadion von Fortuna Düsseldorf. Dazu fehlt den Charakteren noch ein wiedererkennbarer bergischer Schlag, der sich neben der Art zu handeln und mit Situationen umzugehen, auch in der Sprache manifestieren müsste – sowie in der Erkenntnis, wie die Figuren abseits ihrer Ermittlungsarbeit in der Region verwurzelt sind.
Bayerische Krimis wie die „Kluftinger“-Reihe von Volker Klüpfel und Michael Kobr oder Rita Falks Dorfpolizist Franz Eberhofer haben es vorgemacht. Das dürfte auch im Bergischen Land keine Hürde darstellen – nur, dass hier keine „Kässpatzen“ auf dem Teller landen, sondern „Möhren durcheinander“ mit Mettwurst … Vielleicht beim nächsten Mal.
Dirk Osygus: Selbstverdammt. Wuppertal-Krimi. tolino media, 2024, 312 Seiten, 16,99 Euro.