Arbeitsmarkt Bis zu 80.000 Wuppertaler erhalten Hilfe vom Staat
Wuppertal · Der Beschäftigungsboom im Bergischen Land endete bereits vor der Corona-Pandemie. Wer auf dem bisherigen Höhepunkt der Krise im März oder April seinen Arbeitsplatz verlor, den traf es in vielen Fällen besonders hart.
Der Beschäftigungsboom im Bergischen Land endete bereits vor der Corona-Pandemie. Zu diesem Ergebnis kommt die Arbeitsagentur Solingen-Wuppertal bei einem Vergleich der Daten aus dem ersten Halbjahr 2019 mit denen im Jahr 2020. Die Coronakrise ist nicht die alleinige Ursache für die steigende Zahl der Arbeitslosen, sie wirkte aber in Wuppertal, Solingen und Remscheid auf die bereits unter Druck geratenen Branchen wie ein Brandbeschleuniger. In einem historischen Ausmaß steuert die Agentur für Arbeit mit der Kurzarbeit gegen noch größere Jobverluste. 200 Millionen Euro pro Tag werden aktuell in Deutschland an Kurzarbeitergeld gezahlt.
„Die Arbeitslosigkeit steigt im Bergischen Städtedreieck bereits seit Dezember 2019 wieder an“, sagt Martin Klebe, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Solingen-Wuppertal. Kurzarbeit war zu diesem Zeitpunkt in den Unternehmen noch kein Thema. Vielmehr dämpften der Handelsstreit zwischen den USA und China, die strukturellen Probleme der Autoindustrie und der Brexit die über Jahre rosigen Aussichten der exportorientierten Bergischen Wirtschaft.
Im Juni 2020 lassen sich die Folgen der Coronakrise im Vergleich zu Juni 2019 aber nicht allein an der Steigerung der Arbeitslosenzahl um 4868 Personen (darunter 2237 SGB III) ablesen, sondern auch an der sinkenden Arbeitskräftenachfrage. Die aktuelle Zahl der freien Stellen in Wuppertal hat sich auf 249 fast halbiert.
Wer in der Coronakrise arbeitslos wird, den trifft es doppelt hart
Wer auf dem bisherigen Höhepunkt der Coronakrise im März oder April seinen Arbeitsplatz verlor, den traf es in vielen Fällen besonders hart. Sowohl in der Arbeitsagentur als auch im Jobcenter wurden Maßnahmen zur Ausbildung und Qualifikation zum Schutz der Kunden und Mitarbeiter deutlich heruntergefahren. Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Arbeitslosenquote, denn Personen, die an Beschäftigungsmaßnahmen teilnehmen, werden nicht in der Berechnung der Arbeitslosenquote berücksichtigt. Daher gilt die Unterbeschäftigungsquote als aussagekräftiger für die Beurteilung der Arbeitsmarktsituation einer Stadt als die Quote.
Aktuell sind in Wuppertal 19 545 Personen arbeitslos gemeldet, unterbeschäftigt sind 31 230 Personen. Addiert man zu diesen 31 230 Personen die 49 004, die sich in Wuppertal potenziell in Kurzarbeit befinden, wird das ganze Ausmaß der Coronakrise deutlich. Bis zu 80 000 der rund 128 000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Wuppertaler sind demnach ohne Arbeit, beziehungsweise sie gehen ihrem Beruf in der Kurzarbeit nur eingeschränkt nach.
„Wie viele Personen in den angezeigten Unternehmen tatsächlich in Kurzarbeit gegangen sind, werden wir allerdings erst in einigen Wochen wissen, wenn alle Anträge zur Kurzarbeit aus den Betrieben bei uns vorliegen und von uns ausgewertet worden sind“, sagt Martin Klebe.
Jedes Unternehmen entscheidet selbst, in welchem Ausmaß Kurzarbeit im Betrieb als Instrument zur Erhaltung der Arbeitsplätze eingesetzt und wie lange Kurzarbeit in Anspruch genommen wird. Eine Dauer von bis zu 21 Monaten ist nach der bisherigen Regelung möglich.
Mit der Finanzierung tritt der Bund in Vorleistung für die Arbeitsagentur. Angesichts der 200 Millionen Euro, die täglich an Kurzarbeitergeld fließen, ist deren Kasse, in der noch im vergangenen Jahr 26 Milliarden Euro schlummerten, inzwischen leer.
Die persönliche Beratung
soll wieder ausgebaut werden
Die Statistik gibt deutliche Hinweise darauf, dass Corona einige Branchen in Wuppertal besonders hart trifft. Vom Handel wurden 573 Anträge gestellt. Betroffen sind 7749 Personen mit 13,5 Personen pro Anzeige. Die Bandbreite reicht vom Kaufhaus bis zur Boutique mit kleiner Belegschaft. Das Verarbeitende Gewerbe verzeichnet 329 Anträge. Potenziell betroffen sind hier 12 291 Personen, bei einer Betriebsgröße von 37,4 Personen im Schnitt. Im Mai und Juni ist die Zahl der Neuanzeigen auf Kurzarbeit deutlich zurückgegangen.
Wenn es die Entwicklung der Coronakrise zulässt, soll die Zahl der Beratungsgespräche für Kunden der Arbeitsagentur wieder angehoben werden. Voraussetzung ist eine vorherige Terminabsprache. Die Digitalisierung bringe viele Vorteile mit sich. „Das Team Kurzarbeit wurde um 30 Arbeitsvermittler und Berater verstärkt, die auf digitale Akten Zugriff haben. So ist es uns gelungen, die Bearbeitungszeit trotz der Flut von Anzeigen unter zehn Tagen zu halten“, sagt Martin Klebe.