Busfahrer setzt Kinder an falscher Haltestelle ab
Zwei Jogger kümmerten sich um die verängstigten Mädchen. Die WSW haben sich für den Vorfall entschuldigt.
Wuppertal. Die Wuppertalerin Angelika Middeldorf ist noch immer geschockt. Ihre Töchter Sanja (10) und Hannah (14) wollten vergangene Woche zum Schwimmunterricht - wie jeden Mittwoch. Gegen 19 Uhr fuhren sie mit der Linie CE 61 in Richtung Ronsdorf zum Schwimmbad Buschland. "Die beiden wissen - an der Münsterstraße müssen sie aussteigen", sagt die Mutter.
Vorschriftsmäßig hatten die Mädchen den Halte-Knopf im Bus gedrückt und neben dem Busfahrer gewartet, um aussteigen zu dürfen. Der Fahrer ignorierte Hannah und Sania jedoch und fuhr an der Haltestelle vorbei. Die Kinder baten ihn nochmals, aussteigen zu dürfen.
Aber selbst als sich andere Fahrgäste, die die Situation mitbekamen, einmischten, zeigte der Fahrer kein Einsehen und fuhr weiter. Erst an der nächsten Haltestelle - am Wasserturm auf Lichtscheid - ließ er die Kinder aussteigen. Allein und im Dunkeln.
"Ich bin fassungslos", sagt die Mutter: "Diese Haltestelle liegt verlassen an dem Riesenverkehrskreuz. Die Kinder kennen sich dort nicht aus - selbst bei Tag haben Ortsfremde Probleme, sich zu orientieren. Mir wird Angst und bange, wenn ich daran denke, was alles hätte passieren können." Sanja sei ein ängstliches Mädchen, "sie war völlig verzweifelt, hat die ganze Zeit nur geweint", berichtet die Mutter.
Die Größere war mit der Situation überfordert - wollte ihre kleine Schwester beschützen. "Ich wusste nicht, was ich machen sollte, es gab keinen Fußgänger-Überweg oder eine Ampel. Überall nur Autobahn", erinnert Hannah sich an jenen Abend. Eine Treppe, die in eine Unterführung führte, trauten sich die Mädchen im Dunkeln nicht hinunter. Zwei Jogger bemerkten die Not der Kinder, nahmen sich ihrer an und brachten die beiden Mädchen zur richtigen Haltestelle.
"Ich fühle mich ohnmächtig vor Wut. Da ist man für seine Kinder da, achtet darauf, dass ihnen nichts passiert und irgendjemand lässt sie einfach im Dunkeln alleine." Der Fahrer habe eindeutig einen Fehler gemacht, "ihm hätte bewusst sein müssen, dass er Verantwortung hat", klagt die Mutter an.
Die WSW entschuldigt sich für diesen Vorfall. Laut Aussage des Fahrers haben die Kinder erst auf Höhe der Haltestelle den Knopf gedrückt - zu spät. Nach den Richtlinien der WSW darf der Bus nicht außerhalb von Haltestellen anhalten. Es bleiben aber Fragen offen. Trägt der Fahrer Verantwortung für seine jungen Fahrgäste? Wer hätte gehaftet, wenn den beiden Mädchen etwas passiert wäre? "Mit Sicherheit kann hier von einer unterlassenen Hilfeleistung gesprochen werden - wahrscheinlich wäre der Fahrer auch strafrechtlich dran, wenn etwas passiert wäre", behauptet Ingo Losch, Fachanwalt für Strafrecht.
WSW-Sprecher Holger Stephan sieht das anders: "Die Kinder sind freiwillig ausgestiegen, die Verantwortung liegt nicht mehr bei der WSW."
Aber Stephan lenkt ein: "Busfahrer werden extra auf diese Extremsituationen vorbereitet - lernen, wie sie sich in schwierigen Situationen zu verhalten haben. Der Fahrer hat die Situation trotzdem nicht richtig eingeschätzt." Ihm sei leider nicht aufgefallen, dass die Kinder Hilfe benötigten, sagt der Stadtwerke-Sprecher. Stephan räumt ein, dass der Busfahrer die Möglichkeit gehabt hätte, die beiden Mädchen an einer Haltestelle einem entgegenkommenden Busfahrer zu übergeben.