Chinesen erliegen dem leisen Charme deutscher Briefkästen

19 Chinesen aus Shanghai bestaunten das Pilotprojekt zur energetischen Sanierung an der Gustav-Heinemann-Straße.

Wuppertal. Wer den Briefkasten öffnet, ohne nach der Post zu schauen, macht sich verdächtig. Das gilt vor allem für Wiederholungstäter. Auf und zu, auf und zu. Phänomenal, aber erklärlich.

19 Gäste aus China begeisterten sich für das muntere Klapperspiel in der "Wellblech-City" an der Gustav-Heinemann-Straße. Zu diesem diffamierenden Spitznamen steht die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Wuppertal (GWG). Das fällt ihr besonders leicht, nachdem sie in Kooperation mit den Wuppertaler Stadtwerken für eben diese drei Hochhäuser ein Pilotprojekt zur energetischen Sanierung begonnen hat (die WZ berichtete).

Ansehnliche Ergebnisse des Projekts präsentierte die GWG nun der 19-köpfigen Delegation aus Pudong, einem Stadtteil von Shanghai, der sogar eine Schwebebahn hat. Doch die Chinesen, allesamt kommunale Angestellte, hatten sich in die Briefkästen verguckt, bevor sie sich den Sanierungsmaßnahmen widmeten. Erstaunlich sei das. In China würden die Klappen einen Höllenlärm machen. Da beeindrucke sie die deutsche Liebe zum Detail.

Begeisterung für Mikrokosmen ließen aber auch sie erkennen. Ob Rauputz, Klinker oder Bodenplatten, alles wurde mit der Kamera weg geknipst. Wer sich dazu einen künftigen Diavortrag über die Abenteuer einer Deutschlandreise vorstellt, spürt augenblicklich müde Glieder.

Doch so sind nun mal west-östliche Begegnungen, ebenso erheiternd wie lehrreich für beide Seiten. In der Siedlung Am Eskesberg etwa mussten die Chinesen erfahren, wie es um die Wuppertaler Gastfreundschaft bestellt ist. Denn als sie fröhlich den Siedlern zuwinkten, schlossen diese missmutig ihre Fenster.

Der Blick nach oben erstaunte gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen sei es in China undenkbar, dass Hochspannungsleitungen direkt über Wohngebiete geführt würden. Zum anderen sei Wuppertal offenbar sehr regenreich. Die Größe der Stadt habe man erheblich unterschätzt.

Ehrlichkeit ehrt. Deshalb gab es noch ein offenes Schlusswort. Die GWG-Bauten seien einfach, aber praktisch und in der Ausführung sehr akkurat. Als GWG-Projektleiter Wilfried Moll die Stadt über Pina Bausch definieren wollte, zeigten die Chinesen ratlose Gesichter. Friedrich Engels sei bekannt, das Tanztheater nicht. Im übrigen schätze man doch eher die chinesische Oper.