Chor verzichtet auf Muezzinruf

In der Laurentiusbasilika ist am Samstag „The Armed Man“ von Karl Jenkins zu hören - „eine Messe für den Frieden“. Wegen Bedenken der Kirche wird ein Teil ausgelassen.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. „Musikalisch hochspannend“, sei das Werk, schwärmt Kantor Hans Küblbeck von „The Armed Man“. Der walisische Komponist Karl Jenkins hat darin verschiedene Musikstile und Texte verschiedener Religionen verbunden. Ein Bestandteil ist der muslimische Gebetsruf, der nach dem Willen des Komponisten von einem Imam vorgetragen werden soll. Nach einigen Diskussionen in der Gemeinde wird dieser in der Laurentiuskirche nicht zu hören sein. Stattdessen wird es einige Minuten Stille geben.

Foto: Andreas Fischer

Hans Küblbeck wählt für seine Sängerinnen und Sänger immer wieder auch zeitgenössische Musik aus. Diesmal fiel seine Wahl auf das erfolgreiche Werk, das seit seiner Uraufführung im Jahr 2000 schon häufig aufgeführt wurde. „Das Werk passt mit seiner Botschaft sehr gut zur Osterbotschaft Jesu ,Friede sei mit euch’“, erklärt der Kantor seine Wahl.

Jenkins widmete das Werk den Opfern des Kosovokriegs. Anne Dördelmann-Lueg, Mitglied im Leitungsteam des Chors, erklärt: „Er will damit sagen, dass erst Frieden herrschen kann, wenn alle Religionen einen Beitrag leisten.“

Doch das Werk hat auch schon für Unfrieden gesorgt. In Bremen erhielt eine Aufführung sogar Polizeischutz, nachdem der Pfarrer der evangelischen Kirche zahlreiche Hassmails bekommen hatte.

Auch aus der Laurentiusgemeinde hat es Nachfragen gegeben, berichtet Stadtdechant Bruno Kurth. Er habe mit Hans Küblbeck diskutiert, sich mit dem Bistumsreferenten für interkulturellen Dialog ausgetauscht. Im Ergebnis werde auf den Gebetsruf verzichtet.

Zwei Argumente waren für ihn ausschlaggebend: Zum einen sei es nicht angemessen, den Gebetsruf, der auch ein Glaubensbekenntnis enthalte, in einer Kirche vortragen zu lassen. „Eine katholische Kirche ist ein Bekenntnisraum“, verdeutlicht er. „Ein Konzert in der Stadthalle wäre etwas anderes.“ Wer den Glauben der christlichen Gemeindemitglieder und den Glauben von Muslimen ernst nehme, „der wird sagen ,das geht nicht’“.

Zum anderen habe sich heutzutage der Kontext verändert: Der Ruf „Allahu akbar“ sei seit dem islamistischen Terror belastet. Die Gemeinde habe auch syrische Christen aufgenommen: „Die verbinden mit diesem Ruf etwas anderes“, so Bruno Kurth. Sie hätten sicher kein Verständnis dafür.

Es habe zwei Ideen gegeben, den Konflikt zu lösen. Die eine war, statt des Muezzinrufs eindeutig friedensbezogene Suren aus dem Koran zu verwenden. Dagegen sprachen musikalische Gründe. Von daher wählte man die, stattdessen Stille herrschen zu lassen. „Die fordert auch heraus“, findet er. „Dann spricht die Stille.“ Weil im Programm der Text abgedruckt sei, könne sich jeder eine Meinung bilden.

Der Komponist hat in einer Stellungnahme „widerstrebend“ zugestimmt, dass der Gebetsruf wegfällt. Er besteht aber darauf, dass es stattdessen eine Zeit Stille gibt und das Programm erläutert, was eigentlich zu hören sein sollte.

Anne Dördelmann-Lueg hat den Argumentationsaustausch gespannt verfolgt: „Es interessant zu diskutieren, was Musik darf“, sagt sie. Sie berichtet von Fällen, in denen überlegt wurde, den Gebetsruf sprechen zu lassen. Weil man aber fürchtete, dass der Sprecher damit zum Islam konvertiert, fand sich keiner.

Sie persönlich findet, dass mit dem Weglassen des einzigen muslimischen Bestandteils „dem Stück der Kern entzogen“ wird. Die Aussage sei, alle Religionen müssten zum Frieden beitragen. Wenn der Islam nicht mitmachen könne, „dann sagt man ja schon, dass es nicht geht“.