Historisches Begegnung mit eigener Familienhistorie: Die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ in Wuppertal

Wuppertal · Die Ausstellung beleuchtet im BOB-Campus ein bisher wenig bekanntes Kapitel der Befreiung vom NS-Regime.

Chadia Rhoura erklärt Stephan Stracke den Bezug der Ausstellung zu ihrer Familiengeschichte.

Foto: Anna Schwartz/ANNA SCHWARTZ

Mit einer Ausstellung, die gleichermaßen aufklärt und erschüttert, beleuchten die Veranstalter einen Aspekt der Befreiung Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkriegs jetzt in der Nachbarschaftsetage des BOB-Campus. Viele Tausend marokkanische, senegalesische und brasilianische Soldaten kämpften in den Truppen der Alliierten und befreiten Europa vom Nationalsozialismus.

Auf die Leinwand sind Porträts in Großaufnahme projiziert, Kameraeinstellungen gewähren Einblick in Gefangenenlager, schwarze Soldaten kämpfen in französischen Truppen gegen Hitlers Armee. Musik untermalt die langsam wechselnden Bilder, die eine Facette des Kriegs zeigen, die nicht jedem bekannt ist. Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt des Vereins zur Erforschung der Sozialen Bewegung im Wuppertal sowie der Vereine Arbeit und Leben Berg-Mark, Japoo und Dunua.

„Ganz zufällig ist vor etwa 15 Jahren ein Kölner Rechercheteam durch den Spielfilm „Indigènes“ auf eine brisante Tatsache aufmerksam geworden“, erläutert Stadtarchivar Stephan Stracke. Tausende Menschen aus Ländern der Dritten Welt wurden, häufig gezwungen durch ihre Kolonialherren, zu den Armeen einberufen, die gegen Hitler im Zweiten Weltkrieg kämpften.

Sie gerieten ebenfalls in Kriegsgefangenschaft, wurden gefoltert und ermordet. Dies ist ein besonderer Zugang zu den Geschehnissen“, ist Stracke froh darüber, dass die teils unbekannten ungeheuerlichen Zusammenhänge um die Rolle von Soldaten und Zivilisten aus afrikanischen, osteuropäischen, südamerikanischen oder asiatischen Ländern nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Für Besucherin Alex Hillenbrand hingegen sind diese Erkenntnisse nicht neu: „Die Ausstellung habe ich mit einem etwas anderen Schwerpunkt vor etwa 15 Jahren schon einmal in Wuppertal gesehen. Damals ging es um die Rolle von Frauen aus diesen Ländern. Sie wurden in großem Umfang zur Prostitution gezwungen“, erschaudert Hillenbrand angesichts dieser Tatsachen, über die kaum jemand spricht, noch immer. „Ich halte es für wichtig, dass diese Ausstellung vor allen Dingen von Schulklassen besucht wird“, ist ihr wichtig, dass auch das Leid von Menschen aus dem nicht-europäischen Ausland nicht in Vergessenheit gerät.

Zur Eröffnung ist auch die Wuppertalerin Chadia Rhoura gekommen. Die Deutsche hat marokkanische Wurzeln, zeigt ein Foto ihres Großvaters in Uniform. „Er war als Soldat der französischen Truppe in Stuttgart, als diese Stadt befreit wurde“, besucht die junge Frau die Veranstaltung auch vor dem Hintergrund, dass hier ein Stückchen der eigenen Familiengeschichte dargestellt wird. Ihr Opa sei nach dem Krieg nach Marokko zurückgegangen, wo er bis zu seinem Tode gelebt hat. Der Opa mütterlicherseits hingegen sei nach dem Kriegsende als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und geblieben.

Auch Andreas Scheible ist nicht nur als geschichtsinteressierter Bürger einer Stadt, in der sich schreckliche Nazi-Verbrechen abgespielt haben, in die Ausstellung gekommen. Er ist Mitglied des Bergischen Geschichtsverein, weiß, dass beispielsweise in der Varresbeck Mitte April 1945 marokkanische und algerische Soldaten von den Nazis ermordet wurden und dort beerdigt sind. „Wir setzen uns dafür ein, dass sie nicht vergessen werden und dass ihr Schicksal Würdigung erfährt!“

„Naziplan für die Endlösung im Nahen Osten“, „Türkei und der Holocaust“, „Sympathisanten der Faschisten im Nahen Osten“ oder „Kriegsfolgen auf der malaiischen Insel“ sind nur einige der Titel der Informationstafeln, mit erschütternden und bisher weitgehend unbekannten Zahlen, Daten und Fakten. Unter der Mailadresse info@wuppertal-widerstand können Termine für Führungen von Schulklassen, Lerngruppen und Interessierten vereinbart werden.