„Das ist eine Zerreißprobe für die SPD“
Helge Lindh vertritt Wuppertal im Bundestag. Für ihn ist die neue GroKo mit der knappen Zustimmung zu Koalitionsgesprächen noch nicht sicher. Es gebe keinen Automatismus, sagt er.
Das Ergebnis war knapp, sehr knapp sogar. Die SPD-Funktionsträger haben sich am Sonntag in Bonn mit 56 zu 44 Prozent für Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU ausgesprochen. „Für so einen Fall gibt es den Spruch vom ehrlichen Ergebnis“, sagt der Wuppertaler SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh (40). „Diesmal trifft das auch zu. Ich finde, es ist ein authentisches Resultat. Alles andere hätte die Stimmungslage in unserer Partei nicht richtig wiedergegeben.“
Lindh war als Berater in Bonn, abgestimmt hat er nicht. „Aber ich bin dafür, dass wir Koalitionsverhandlungen mit der Union führen“, sagt er am für ihn holprigen Beginn seiner politischen Berlinkarriere. Lindh ist am 24. September des vergangenen Jahres in den Bundestag gewählt worden. Er hatte sich im Wahlkreis Wuppertal I unter anderem gegen den Vorsitzenden der CDU und ehemaligen Landtagsabgeordneten Rainer Spiecker durchgesetzt. Seither ringt die Union um eine Regierungsbildung unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel. Die intensiven Jamaika-Gespräche mit Grünen und Liberalen hatte FDP-Chef Christian Lindner platzen lassen. Nun sollen es wieder die Sozialdemokraten sein, die der Kanzlerin zu einer weiteren Amtszeit verhelfen.
„Das ist eine Zerreißprobe für die SPD“, sagt Lindh. Wie tief der Graben zwischen den jüngeren und den älteren Mitgliedern der ältesten Partei Deutschlands sind, haben die vergangenen Wochen gezeigt. Auch in Bonn haben die Jusos am Sonntag kein bisschen nachgelassen, für ihr „No GroKo“ zu werben. Und sie lassen seit dem knappen Abstimmungsergebnis nicht nach. Aus Sicht Lindhs gehen sie dabei allerdings einen Schritt zu weit. Die Werbekampagne um neue Mitglieder kommt beim neuen Bundestagsabgeordneten nicht gut an. Nur gegen die Große Koalition zu sein, reicht für ihn nicht als Begründung aus, SPD-Mitglied zu werden. Die Jusos ficht das freilich nicht an. Sie wittern Morgenluft, nachdem am Sonntag so wenig gefehlt hat, um Koalitionsverhandlungen zu verhindern.
Für Helge Lindh ist der Ausgang der Mitgliederbefragung zu einem Koalitionsvertrag, falls es dazu kommen sollte, denn auch völlig ungewiss. Er sieht die Chancen bei 50 zu 50, dass Union und SPD die Regierung abermals gemeinsam übernehmen. „Was ich von der Basis wahrnehme, ist die Stimmung sehr gemischt“, sagt er. Sicher ist für den 40 Jahre alten Politiker nur, dass der Entscheidungsprozess nicht ohne Folgen für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bleiben wird. Scheitert der Versuch, die SPD in eine neue Koalition zu führen, dann habe das personelle Folgen für die Spitze der Partei, glaubt Lindh.
Er selbst läuft nur im Falle einer Neuwahl Gefahr, sein Mandat für Berlin zu verlieren. Seine erste Rede vor dem Bundestag hat Helge Lindh in der vergangenen Woche gehalten. Darin führte er die AfD vor die Folgen ihrer restriktiven Ausländerpolitik, berichtete von einer Syrerin, die in Wuppertal um das Leben ihres Sohnes bangt, der in der Türkei ist und nicht nach Wuppertal kommen darf. „Ich habe viel Zustimmung bekommen. Das freut mich sehr“, sagt Lindh.
Auf Facebook sei seine Rede 35 000 mal aufgerufen worden, er habe 100 000 Leute erreicht. Dass darunter auch solche waren, die dem Sozialdemokraten nicht besonders wohlgesonnen sind, verhehlt Lindh nicht. „Da waren auch Kommentare dabei, die ich lieber nicht gelesen hätte.“ Die AfD sei in den sozialen Netzwerken offenbar professioneller unterwegs als die anderen Parteien im Bundestag.