Ausstellung „Kimto“ Das Nicht-Komplette als Konzept im Neuen Kunstverein Wuppertal
Wuppertal · Rebekka Brunke zeigt ihre Ausstellung seit Freitag im Neuen Kunstverein.
Bei Puzzles soll ein komplettes Bild am Ende stehen, es entspricht dann ganz der Vorlage, mithin einem gegebenen Motiv. Anders die Collage – zumindest wenn man sie so als Kunstform betreibt wie Rebekka Brunke. Ihre Ausstellung „Kimto“ wurde am Freitag beim Neuen Kunstverein eröffnet, und sie macht gerade das Nicht-Komplette zum Konzept.
Was in den Rahmen hängt, ist klar heterogen, unverkennbar ist alles montiert: ob Gesicht mit Schleier, etwas Haar und fehlenden Augen, ob tätowierter Arm plus Unterleib im Reifrock. Material der Zeichnungen sind Fundstücke – indirekt. Ausschnitte oder Ausrisse etwa aus Zeitschriften bilden die Basis, aus denen dann die Werke entstehen.
Brunke arbeitet mit Kohle, und vielfach bringt sie dabei die Bestandteile in andere Größen. Sodass mit dem Weg auf die Leinwand so manche Änderung einhergeht: Am Ende ist alles schwarz-weiß, und in vielen Fällen ist es vergrößert.
Chaotisch wirkt dann das Ganze keineswegs, was die Künstlerin vorab auch so benannt hat: „In der zeichnerischen Bearbeitung gleichen sich alle Bildfragmente an und verbinden sich im Schwarz-Weiß der Darstellung.“ Und doch bleiben kaum Zweifel: Zur Glättung führt die Angleichung nicht, das Zusammengefügte bleibt „Fügung“. Fehlt nur noch, dass man „Fugen“ sieht.
Fügung im Sinne von Zufall hat an der Entstehung einigen Anteil. Brunke verdeutlicht das beim Besuch am Bild eines Mädchens mit blonder Mähne: Der Unterleib erscheint vor dunklerer Wand als weißer Umriss, der aber keinem real üblichen Körper ganz entspricht: „Da stand auf dem Fundstück vielleicht ein Schriftzug, der dann zu entfernen war.“ So kam es zu einem Eindruck von Versehrtheit – materialbedingt und doch gewollt. Denn auch als Reflexion zum Optimierungstrend (gerade in digitaler Zeit) versteht sich „Kimto“.
Bilder von Frauen, denen das Gesicht fehlt
Eine Serie, von der in der Hofaue einiges hängt, hat indes einen ganz anderen aktuellen Bezug: Ausgehend vom bekannt gewordenen Tod einer jungen Iranerin nach Festnahme durch die „Sittenpolizei“, schuf Brunke nach besagtem Prinzip eine Reihe Frauenbilder, denen eines fehlt: ein Gesicht (oder Teile davon). Weiße Lücken klaffen. Einmal wiederum ist es irritierenderweise eine weibliche Rückansicht, die den Gesichtsbereich nach unten füllt.
Brunke lebt in Mannheim, ihre Ausstellung beim Kunstverein folgt einer Einladung von Andreas Komotzki, der hier im Herbst seine Schau „2023 – ein Jahr in Landschaft, Licht und Farbe“ zeigte.
Auch Bewegtbild ist übrigens Teil der Schau: Auf dem Bildschirm am Fenster ist zu verfolgen, wie eine von Brunkes Collagen sich zusammensetzt – Stück für Stück. Bloß Dokumentation ihrer Methode, nur Illustrieren des Prozesses? Nein, stellt die Künstlerin freundlich klar, es versteht sich als eigenes Werk. Und das leuchtet schnell ein: So wie sich dem „nackten“ Kopf erst versetzt etwa eine Frisur beigesellt, wird der Aspekt des „Gemachten“ erst recht augenfällig. Denn darum geht es in der ganzen Schau: Das Äußere zeigt nur einen Teil der Wahrheit; es lohnt, den ersten Schein zu hinterfragen, und eine Identität hat viele Facetten. Eine stimmige Ästhetik mit Brüchen als integralem Bestandteil, der das Diverse untrennbar eingeschrieben ist.
„Kimto“ von Rebekka Brunke ist beim Neuen Kunstverein in der Hofaue 51 bis zum 15. Februar zu sehen – donnerstags und freitags von 17 bis 20 sowie samstags von 15 bis 18 Uhr.