Wuppertal Deportation: Grabsteine erinnern an die Verzweiflung der Juden

Um der Deportation zu entgehen, nahmen sich 1941 und 1942 Menschen jüdischen Glaubens das Leben.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Am 27. Januar wird bundesweit den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge, nahm diesen Termin zum Anlass, um bereits am Dienstag bei einem Rundgang über den jüdischen Friedhof Am Weinberg an die Schicksale von Wuppertalern zu erinnern, denen die Schrecken der Konzentrationslager nur deshalb erspart blieben, weil sie sich vor der Deportation das Leben nahmen.

Die Grabsteine auf dem Friedhof sind stumme Zeugen unermesslichen Leides, das den Juden in Wuppertal zugefügt worden ist. „Ein jüdischer Friedhof ist normalerweise chronologisch geordnet“, erklärt Ulrike Schrader. Daher lohne es sich, die Unregelmäßigkeiten zu beachten, wie sie am Weinberg in manchen Abteilungen des Friedhofes zu erkennen seien. Der Friedhof wurde 1896 von der jüdischen Gemeinde angelegt. Aus dieser Zeit datieren die ältesten Gräber. Doch die Aufteilung wird immer wieder durch Gräber mit den Sterbedaten 1941 und 1942 unterbrochen. In den meisten Fällen verbirgt sich hinter diesen Jahreszahlen ein tragisches Schicksal.

„Ich konnte die grauenhafte Zukunft nicht überleben“, schrieb Arthur Amberg in seinem Abschiedsbrief. Er nahm sich im Januar 1942 das Leben. „Es waren vor allem ältere Menschen, die keinen anderen Ausweg mehr wussten. Vielen war kurz zuvor die Anordnung zugestellt worden, sich am Bahnhof Steinbeck zu ihrem Abtransport einzufinden“, erläuterte Ulrike Schrader den Teilnehmern des Rundganges.

In der jüdischen Religion gelten diese Opfer der Nazis nicht als Selbstmörder, sondern als Märtyrer, und sie wurden daher auf einem regulären Friedhof bestattet. „Da es die jüdische Gemeinde in ihrer früheren Form nicht mehr gab, galt auch die strikte Friedhofsordnung nicht mehr. So wurden freie Flächen in den älteren Grabreihen genutzt“, sagt Ulrike Schrader.

Im Jahr 1941 war es zu einer extremen Radikalisierung der antijüdischen Politik der Nazis gekommen. „Von daher wussten die Menschen, was sie mit dem Beginn der Deportationen am 19. Oktober 1941 erwarten würde. Im Winter 1942 wurden die Transporte ausgesetzt, weil die Züge für die Versorgung der Soldaten auf dem Russlandfeldzug benötigt wurden. Doch erst am 20. Juli gab es die letzte Deportation nach Theresienstadt.

Ulrike Schrader zitierte aus Polizeiprotokollen und Prozessakten, die erhalten geblieben sind. Die zahlreichen Fälle von Selbsttötungen blieben weder von der Wuppertaler Polizei noch von der Bevölkerung unbemerkt. In den Polizeiprotokollen wurden schließlich Standardformulierungen verwendet, die das unermessliche Grauen in der Sprache der Bürokraten verpackten. So heißt es zum Beispiel in einem Polizeiprotokoll zum Tod des Isaak Magnescheff: Dem Tod sei die Aufforderung zur „Evakuierung“ vorausgegangen. Mit dem sarkastischen Zusatz, der auch in anderen Protokollen zu finden ist: „Was ihm nicht zusagte“.

„Gestorben in Theresienstadt“ heißt es am Grab der Familie Norden in Erinnerung an Joseph Norden, der von 1907 bis 1935 Rabbiner in Elberfeld war.

Lothar Goldschmidt wurde noch vor dem Holocaust ein Opfer der deutschen Justiz. Ihm wurde Rassenschande vorgeworfen. Wenn ein jüdischer Mann ein Verhältnis mit einer Nichtjüdin einging, drohte ihm die Todesstrafe. Die Nazi-Justiz trieb ebenfalls viele unschuldige Menschen dazu, sich selbst das Leben zu nehmen. Die Erinnerung an ihre Schicksale will Ulrike Schrader mit weiteren geführten Rundgängen über den Friedhof am Weinberg wachhalten, kündigte sie an.