Serie: Bilder erzählen Stadtgeschichten Der Tag, an dem der Kiesbergtunnel entstand

Vor genau 50 Jahren wurde die Röhre des Kiesbergtunnels fertig. Das Bauwerk hat einen wichtigen Beitrag zum Verkehrsnetz der Stadt geleistet.

Foto: Kurt Keil

Wuppertal. Die Herren mit den hellen Jacken und Bauhelm auf dem Kopf haben gerade eine tiefbauliche Meisterleistung begutachten dürfen. Sie trotten aus dem Schacht, zwei von ihnen blicken in die Kamera. Der linke der beiden, er trägt einen weißen Bart und einen dunklen Mantel, ist Professor Friedrich Hetzelt, der damalige Baudezernent der Stadt. Er ist sozusagen der Vater des Kiesbergtunnels: Das Bild zeigt den Tag des Durchstichs im August 1967. Unser Fotograf Kurt Keil hat das Foto damals geschossen — und hätte diesen Pressetermin beinahe verpasst.

„Ich war damals Ende 20 und ganz neu in der Stadt. Die Redaktion der WZ hat mich zu diesem Termin geschickt, aber ich bin erst mal zum falschen Ende des Tunnels gefahren. Da war außer mir dann niemand“, erinnert sich Kurt Keil. Er fragte sich durch und fand schließlich doch das richtige Ende, nämlich das Westende. Und die Herrschaften — wie Friedrich Hetzelt oder der Vorsitzende des Bauausschusses Gottfried Gurland und Regierungspräsident Hans Otto Bäumer — waren alle noch vor Ort und führten die Delegation durch die Baustelle. „Und nach viel mehr als einer Baustelle, einem Bergwerksstollen sah das alles damals nicht aus“, so Keil.

Der Tunnel wurde zweistöckig geplant und war damit eine Besonderheit. Von beiden Seiten wurde mit den Aushöhlungsarbeiten begonnen, in der Mitte traf man sich, anschließend wurde eine Zwischendecke eingezogen. Das hat den wirtschaftlichen Vorteil, dass die immer nur in eine Richtung befahrenen Röhren sich selbst belüften, die Autos ziehen die Luft mit sich. Teure Belüftungstechnik entfiel so.

„Damals kursierte in Wuppertal der Witz, dass zwei Brüder angeboten hätten, die Tunnelarbeiten für sehr viel weniger Geld als die durch die Ausschreibung gewonnene Baufirma zu erledigen“, erzählt Ernst-Andreas Ziegler, der heutige Leiter der Junior-Uni. Zu Bauzeiten des Kiesbergtunnels arbeitete er als Redakteur. „Auch sie hätten jeder von einer Seite anfangen wollen, nur mit Schaufel und Schubkarre bewaffnet. Und sollten sie sich dann nicht in der Mitte treffen: Ja dann gibt es eben keinen zweistöckigen Tunnel, sondern zwei verschiedene.“ Das Projekt sei damals das Stadtgespräch Nummer eins gewesen. Auch, weil so die Wälder an Burgholz und am Kiesberg verschont wurden.

Ernst-Andreas Ziegler erinnert sich gut an den Baudezernenten Hetzelt. Er sei ein großartiger Städteplaner gewesen, hätte aber aufgrund der Fixierung auf eine Auto-Zukunft die eine oder andere schöne Allee zu einer Autostraße ausbauen lassen. „Noch mehr habe ich seinen Leiter des Tiefbauamtes bewundert, Friedrich Stücker. Das war ein richtiger Macher und der entscheidende Mann beim Projekt Kiesbergtunnel.“

Fast 32 Millionen D-Mark habe der Tunnel gekostet, bestätigt Thorsten Dette, der Teamleiter des Stadtarchivs mit Blick in seine Unterlagen. Die Planungen begannen bereits zu Beginn der 1960er Jahre, im Zuge des Ausbaus der Straßen B 326 und L 418. Die Eröffnung des Tunnels wurde am 2. Oktober 1970 gefeiert.

Rund 135 000 Kubikmeter Felsen mussten abgetragen werden, 90 000 Kilogramm des Sprengstoffs Ammongelit wurden verbraucht. Für das Tunnelgewölbe wurden 47 850 Kubikmeter Beton verbaut, für die Fahrbahn 3250 Kubikmeter Stahlbeton. 1500 Tonnen Stahlbögen wurden für die Felssicherung eingebaut.

Der Tunnel verbindet bis heute die Autobahn 46 und die Wuppertaler Südstadt. Er war Teil der Verkehrsoptimierung im Zuge des Baus des Sonnborner Kreuzes, eines damals beispiellos großen Autobahnkreuzes. Die Bauarbeiten hierzu begannen 1968 und wurden im Mai 1974, vier Jahre nach Fertigstellung des Kiesbergtunnels, eröffnet.