„Diejenigen, die entscheiden, sind in der Regel Männer“
Roswitha Bocklage ist bei der Stadt Wuppertal für Gleichstellung zuständig. Im Gespräch beurteilt sie die Lage der Frauen in Wuppertal.
Frau Bocklage, wie steht es in Wuppertal um die Gleichberechtigung?
Bocklage: Gemischt. Was die Verwaltung betrifft, stehen wir im Vergleich zu Privatunternehmen mit unseren Zahlen ganz gut da. Aufgrund der Haushaltssituation gibt es allerdings viele Einschränkungen, die den weiteren Fortschritt der Gleichberechtigung schwierig gestalten werden.
Was genau sind das für Einschränkungen?
Bocklage: Wir dürfen in vielen Bereichen keine externen Arbeitskräfte einstellen. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel bei den Führungspositionen auf vorhandenes Personal zurückgreifen müssen. Da wäre es aber manchmal einfacher, wenn wir die Stelle extern ausschreiben könnten, denn dann könnten sich qualifizierte Frauen darauf bewerben. In unserer Verwaltung gibt es diese qualifizierten Frauen zwar auch, aber es ist für sie nicht immer leicht, in die entsprechenden Positionen zu kommen.
Warum ist das für Frauen so schwierig?
Bocklage: Das größte Problem ist, dass die Frauen eine bestimmte Entgeltgruppe erreicht haben müssen, um den Schritt weiter nach oben gehen zu können. Und das trifft nicht auf so viele Frauen zu. Die Auswahl ist also geringer.
Schauen wir doch mal auf die Dezernenten der Stadt. Das sind alles Männer. Warum?
Bocklage: Bei den Dezernenten der Stadt ist das eine eigene Geschichte. Die werden nämlich über die Politik ausgewählt. Und wenn die Parteien nicht nach Frauen gucken, hat die Verwaltung hierauf keinen Einfluss. Es kann nur immer wieder die Aufforderung geben, dass sich die Politik auch nach qualifizierten Frauen umschauen muss.
Wie sieht es mit der weiblichen Beschäftigung in der Verwaltung aus?
Bocklage: Ende 2010 waren 29 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Das könnte aber noch viel besser sein. Aber natürlich tut sich eine Verwaltung schwer, über drei oder fünf Jahre hinweg nur noch Frauen einzustellen, um eine 50-Prozent-Quote zu erreichen. Denn dann haben alle auf einmal den Eindruck, dass es nicht richtig sein kann, wenn nur noch Frauen in Führungspostionen kommen.
Meinen Sie, dass dieses Denken hauptsächlich von Männern ausgeht?
Bocklage: Es kann auch sein, dass es Frauen gibt, die so denken. Das kann ich aber nicht beurteilen, weil die, die entscheiden, in der Regel Männer sind.
Was denken Sie über die Einführung einer Frauenquote?
Bocklage: Ich halte sehr viel davon. Die Stadtverwaltung hat ja auch eine Frauenquote. Über das Landesgleichstellungsgesetz und den Gleichstellungsplan gibt es die Vorgabe, dass, wenn es in einem Bereich zu wenig Frauen gibt, bei gleicher Eignung die Frau eingestellt werden muss. Das gilt nicht nur bei Führungspostionen, sondern in der Verwaltung auch bei Ausbildungsplätzen.
Was entgegnen Sie Kritikern, die sagen, dass die Quote dazu führt, dass schlechter qualifizierte Arbeitskräfte eingestellt werden?
Bocklage: Ich arbeite jetzt seit fast 20 Jahren bei der Stadtverwaltung und nehme seitdem auch an Auswahlverfahren teil. Ich habe noch nie erlebt, dass wir wegen der Quote eine schlechter qualifizierte Frau eingestellt haben. Es gibt ja genug qualifizierte Frauen und deshalb ist das für mich gar kein Argument. Wenn ich das Ziel habe, eine bestimmte Quote zu erreichen, bin ich bereit, vorher genau zu gucken, welche Frauen und Männer in Frage kommen. Das heißt, die Frauenquote verpflichtet zu einem transparenten Verfahren und ist damit auch eine Verhinderung des Klüngels.
Wie geht die Verwaltung mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf um?
Bocklage: Niemand muss hier wegen einer Schwangerschaft gehen oder weniger arbeiten. Wenn eine Frau ein Kind bekommen hat, kann sie nach Ablauf der Mutterschutzfrist mit einer vollen Stelle direkt wieder anfangen. Das Grundproblem ist, dass die Paare sich genau überlegen müssen, wie sie die Kinderbetreuung regeln und wie sie sich die familiären Aufgaben teilen können.
Beschweren sich eigentlich auch Männer bei Ihnen, dass sie mit zu vielen Frauen zusammenarbeiten?
Bocklage: (Lacht) Das hat sich noch keiner getraut. Aber es gibt natürlich Bereiche bei uns, wo sehr viele Frauen arbeiten, obwohl das eigentlich gar nicht so gewollt ist. Da wünschen sich auch die Frauen mehr Männer und hätten gerne gemischte Teams. Das kriegen wir aber nicht hin, weil viele Männer bestimmte Berufe, wie zum Beispiel den des Verwaltungsbeamten, nicht ergreifen wollen. Das ist wirklich schade, denn unser Ziel ist ja nicht nur, mehr für die Frauen zu tun, sondern wir wollen einen Ausgleich zwischen Männern und Frauen auf allen Ebenen erreichen.