Gewalt gegen Frauen „Jedes Opfer ist traumatisiert“: Eckhard Klesser vom Opferschutz der Polizei Wuppertal betreut Frauen, die Gewalt durch ihre Partner erlebt haben

Wuppertal · Kriminalhauptkommissar Eckhard Klesser betreut ganz unabhängig von den Ermittlungen die Opfer von häuslicher Gewalt.

Eckhard Klesser vom Opferschutz.

Foto: Ja/Fischer, Andreas

Im Büro von Eckhard Klesser sieht es nach dem Büro eines gewöhnlichen Polizisten aus – bis auf ein Detail, das ihm sehr wichtig ist: Er hat frische Blumen in Vasen auf der Fensterbank und dem Tisch angerichtet. Damit sich alle, die ins Büro des Kriminalhauptkommissars kommen, wohlfühlen. Und das sind häufig Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden.

Das Angebot steht noch, wenn
die Situation schon länger her ist

Eckhard Klesser betreut dann ganz unabhängig von den Ermittlungen die Opfer von häuslicher Gewalt, beantwortet Fragen zum Strafverfahren, über Auskunft- und Kontaktsperren, vermittelt zu anderen Organisationen und Stellen wie dem Frauenhaus und dem Weißen Ring und übernimmt eine weitere sehr wichtige Aufgabe: Er sorgt dafür, dass die Frauen hier zum ersten Mal, seit ihre (Ex-)Partner gewalttätig geworden sind, einen Moment durchatmen können. „Alles, was wir hier machen, ist freiwillig – und das Angebot steht auch dann noch, wenn der Kopf frei ist.“ Denn wenn die Frauen gerade aus der gefährlichen Situation heraus sind, brauchen sie manchmal ein wenig Zeit, bis sie weitere Schritte ergreifen.

Das Thema häusliche Gewalt, und schließlich auch Femizide, habe auch in Wuppertal „leider eine Dauerbedeutung – auch wenn es keine riesige Quote“ gibt, erklärt Eckhard Klesser. „Und die Tendenz steigt leider“, fügt der Polizist hinzu. So habe es im Lockdown, als schon viele Fälle häuslicher Gewalt vermutet wurden, keinen Anstieg gegeben, aber inzwischen seien die Zahlen aus den Jahren vor der Pandemie überschritten.

„Gewalt in der Beziehung ist das Hauptthema“, erklärt Klesser die Arbeit von ihm und seinem Team. „Bei uns ist das der Löwenanteil.“ Und die Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt werden, greifen selbst nicht zum Hörer, um die 110 zu wählen – meist übernimmt das jemand aus der Nachbarschaft, sodass die Polizei bei ihrem Eintreffen in einer emotional extrem angespannten Situation ankommt.

Häufig werde dann ein Rückkehr-Verbot ausgesprochen, es gilt: „Wer schlägt, der geht.“ Wenn sich der Täter während dieser zehn Tage doch der Wohnung nähert, ergreift die Polizei weitere Maßnahmen, es können ein Näherungsverbot und eine Gefährderansprache folgen. Wenn es Kinder gibt, wird das Jugendamt informiert. Die Alarmglocken der Polizei gingen dann an, wenn der Täter „völlig schmerzfrei“ sei und sich zum Beispiel nicht an das Rückkehr-Verbot halte.

Selten gebe es Fälle, in denen ein Mord aus dem Nichts kommt: „Meist gibt es schon zig Vorstufen“, sagt Klesser und berichtet von einer Frau, die seit 25 Jahren in einer Gewaltbeziehung lebt, von einem Mann, der die Frau mit kochendem Wasser überschüttet hat, von Männern, die eine geflohene Frau über ein eingestelltes Möbelstück bei der Internetplattform Ebay gefunden haben, von dem Fall in der Hünefeldstraße, bei dem der Ex-Partner die Tat lange im Voraus geplant hatte. Dabei, zu verschwinden, in einem Frauenhaus weit weg von Wuppertal untergebracht zu werden, sich eine neue Existenz aufzubauen oder eine Auskunftssperre beim Meldeamt zu veranlassen, hilft das Team um Klesser.

Er informiert auch über Beratungsstellen und Therapiemöglichkeiten, denn: „Eigentlich ist jedes Opfer traumatisiert.“ Schließlich ist das Zuhause, eigentlich ein Ort der Sicherheit, an dem auf einmal die schlimmste und gefährlichste Gewalt ausgeübt wird.

Der Opferschutz stärkt
den Frauen den Rücken

Er geht als Mann besonders vorsichtig auf die Opfer zu, fragt, ob die Frauen lieber mit einer Kollegin sprechen wollen. Denn das Vertrauen steht bei der Arbeit des Opferschutzes an erster Stelle. Klesser begleitet sie etwa zu Gerichtsterminen, bei denen die Frau dem Täter begegnet, er verwischt die Spuren, um die Frauen zu schützen.

Wichtig sei auch, die Frau auf die Gefahren hinzuweisen, den Kontakt nicht wieder aufzunehmen, selbst wenn der Täter verspricht, sich zu bessern. Das sei nicht unbedingt einfach, eben weil auch die schlimmste Gewaltbeziehung mal als Liebesbeziehung begonnen hat. „Wir können nur den Leuten helfen, die sich helfen lassen wollen.“ Aber das macht der Opferschutz behutsam, „mit Kleinigkeiten, um den Frauen den Rücken zu stärken“.