Ein Gastspiel bei Blau-Weiß
Als Deutsche zu Gast bei den Griechen am Wupperfelder Markt — ein Bericht über das Viertelfinalspiel der Europameisterschaft.
Wuppertal. „Du schaust mit den Griechen? Blankes Entsetzen bei Freunden und Kollegen. Das Spiel nicht mit den schwarz-rot-goldenen Fans zu zelebrieren, sondern mit den blau-weißen grenzt für viele an Hochverrat an der Nationalelf. Keiner der Deutschlandfans möchte mit zum Wupperfelder Markt, wo viele der Wuppertaler Griechen sich zum Public Viewing treffen.
Ein wenig angespannt, mit wenig Fanzubehör in Schwarz-Rot-Gold, geht es um 20.30 Uhr in den Wuppertaler Osten.
Der Ouzo ist kaltgestellt, die Fernseher sind im Freien aufgestellt, Blau-Weiß soweit das Auge reicht. Der Wupperfelder Markt ist fest in der Hand der Griechen. „Wir gewinnen mindestens Zwei Null“, ruft Georgi ins Telefon, denn er versteht sein eigenes Wort kaum. Musik, lachende und feiernde Griechen, die griechischen Kommentatoren aus dem Fernseher — eine bunte Mischung, die noch viele Straßen weiter deutlich zu hören ist.
Es wird ein wenig leiser, als das Spiel beginnt. Den wenigen Deutschen, die sich auf Béla Réthy gefreut haben, hilft das wenig — der Kommentar ist griechisch. Das erste Tor der Deutschen. Man möchte Jubeln, freut sich aber mehr im Stillen — Abseits! Die Griechen sind erleichtert, applaudieren.
Es fängt an zu regnen. Unter den vielen Sonnenschirmen ist nicht genügend Platz. Die einzige Situation an diesem Abend, an dem die Griechen unfreundlicher sind: Die Regenschirme, die jetzt gespannt werden, sind vielen Zuschauern im Weg. Als dann noch Angela Merkel eingeblendet wird, raunt es durch die Masse. Was sie an Merkel nicht mögen? „Ach, hör auf! Dazu sage ich lieber nichts“, sagt der, in eine Fahne gehüllte, Fan, um sich gleich wieder auf das laufende Spiel zu konzentrieren.
Auch wenn sie zur Halbzeit mit einem Tor im Rückstand liegen, die Griechen feiern auf dem Wupperfelder Markt und den umliegenden Cafés. Im Lobby findet man Lia, gekleidet wie eine griechische Glücksgöttin im goldenen Kleid, die den Griechen den Einzug ins Halbfinale sichern soll. Und die Glücksgöttin scheint zu helfen, denn beim 1:1 nach der Halbzeit sind die Griechen kaum zu halten. Die Fans in den Cafés strömen raus, die von draußen stürmen rein, beglückwünschen sich, feiern das erste Tor mit einem Feuerwerk auf dem Marktplatz.
Die Euphorie hält an — bis zum zweiten Tor der Deutschen. Betretene Gesichter, vor allem bei den Kindern. Rausgeputzt haben sie sich, mit blau-weißen Trikots, ihren Fähnchen und ihren aufgemalten Flaggen im Gesicht, auf Armen und Beinen. Dennis ist tief getroffen: „Wir spielen doch gut. Die Griechen sollen mal gewinnen“, sagt der Grundschüler und unterstützt die Hellas mit ein paar Tönen auf der Vuvuzela.
Als deutscher Fan eine schwierige Situation, denn die Griechen sind herzliche Gastgeber, freuen sich, dass auch einige Deutsche den Weg zum Wupperfelder Markt gefunden haben.
Nach dem dritten deutschen Tor ist man als Deutschlandfan gespalten — Freude auf der einen Seite, Mitgefühl auf der anderen. Der Jubel ist beim verwandelten Elfmeter der Griechen noch einmal groß, auch als Deutsche klatscht man mit. „Wenigstens den haben die Jungs noch reingemacht“, halt es über den Platz.
Zu dieser Zeit sind schon einige Fans auf dem Weg nach Hause. Der Großteil jedoch bleibt. Es gibt Frappé, den ein oder anderen Ouzo, es wird weitergefeiert, denn „immerhin haben wir nicht zu null gespielt“, sagt Elena.
Die nächsten Spiele schauen sie sich auch an, die Griechen. Und auch dann sind deutsche Fans wieder rund um den Wupperfelder Markt willkommen, denn, wie Elena vor dem Anstoßen mit einem Glas Sekt sagt: „Wir sind doch alle Fußballfans.“