Eine Stunde für Wuppertal – im Stau

Wenn auf der A46 mal wieder gar nichts mehr geht: Rückblick auf eine gut einstündige Autofahrt von Oberbarmen bis nach Varresbeck.

Wuppertal. Die Auffahrt der A 46 in Oberbarmen, Fahrtrichtung Düsseldorf. Fahrtziel: Varresbeck. Es ist 13.40 Uhr an einem vermeintlich harmlosen und sonnigen Nachmittag am Ende der Herbstferien. Die Kurve auf dem Beschleunigungsstreifen ist kaum genommen, als eine Armee aus Bremslichtern in Sicht ist und mit ihr ein Wort, das mit der A 46 verbunden ist wie Wuppertal mit seiner Schwebebahn: Stau.

Sieben Kilometer an der Baustelle Varresbeck - das wird die Stimme im Radio in Kürze unheilvoll verkünden. 7000 Meter Blech und Ratlosigkeit. Aber erst einmal wird gebremst mit einem bangen Blick in den Rückspiegel: Bremst auch der Lkw-Fahrer hinter der eigenen Stoßstange? Ja, er bremst. So richtet sich der Blick wieder nach vorne.

In der Ferne ist der monumentale Beton der Lärmschutzgalerie Sternenberg zu sehen, wie ein Relikt aus der Maya-Zeit. Wie viele Wagenlängen sind es bis da hin? "Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen", brummte einst Henry Valentino. Das Mädchen an diesem Nachmittag ist ebenfalls jung. Die Frau im Polo greift zum Handy: Wen ruft sie jetzt an, um die Verspätung zu beichten? Ihre Eltern? Ihren Freund? Ihren Chef? Oder alle zugleich? Noch einmal Sinnsuche bei Henry Valentino: "Hört sie den selben Sender oder ist ihr Radio aus? Fährt sie zum Rendez-vous oder nach Haus?"

Es wird an diesem Nachmittag noch viel telefoniert im Abschnitt Wichlinghausen. Zehn Minuten später verschlucken die ersten Schatten des Maya-Tempels das Tageslicht. Gekämpft wird auch hier um jeden Meter: Wie oft hat der Fahrer nebenan schon die Spur gewechselt? Um 13.52 Uhr verliert er die Nerven, schert aus und saust über die Abfahrt zur Raststätte. Nicht, um zu tanken. Nein, er kürzt seinen Weg über das Raststättengelände ab, um sich dahinter wieder in die Reihe aus Bremslichtern einzufädeln. Weiter vorne hupt jemand. Der tägliche Wahnsinn.

Die Frau im Polo scheint mit dem Gedanken zu spielen, es dem Abkürzer gleich zu tun - zum Unmut all jener, die auf den beiden Fahrstreifen ausharren. 14.05 Uhr. Im Radio laufen Restnachrichten, und die Abfahrt Wichlinghausen ist greifbar nahe.

Runter von der Autobahn und das Heil auf den Höhen oder auf der Talachse suchen - das wollen viele an diesem Nachmittag. Es dauert 15 Minuten, bis die Kreuzung an der Märkischen Straße in Sicht ist. Zwischendurch verlieren Fahrer die Geduld und drehen auf der durchgezogenen Linie, um in Gegenrichtung wieder auf die A 46 zu fahren.

Derweil drängelt sich ein Lkw vor, um bei Dunkelgelb Richtung Westkotter Straße zu brausen - bergab, ins rettende Wuppertal, wo auf der B7 aber ebenfalls alles steht, wie man es sich später voller Ehrfurcht daheim am Kaminfeuer erzählen wird. Und: Wo will der Brummifahrer eigentlich hin? Zu Claude Monet (1840-1926) vielleicht, solange am Döppersberg noch nicht die Bagger rollen? Oder doch nur nach Sonnborn?

Mit Blick aufs Fahrtziel geht es um 14.22 Uhr hoch zur Hatzfelder Straße, im Stop-and-Go-Rhythmus über die Uellendahler Straße in den Indian Summer am Westfalenweg - mögliche Radarfallen am Straßenrand immer im Blick. Hand auf den Zündschlüssel: Wer wird denn an einem solchen Tag rasen?

Nun geht es deutlich schneller, aber die Strecke zieht sich. Topographie lässt sich nicht überlisten. Am Katernberg wieder auf die A46? No, Sir: In den Birken ist es auch schön und fast schon ein Katzensprung bis zum Ziel. Erreicht ist es um 14.49 Uhr. "Meine Stunde für Wuppertal" - klasse Slogan. Passt auch zur A 46 - wie die Faust aufs Lenkrad, an einem Nachmittag im Oktober.