Kirche Die Genossen kehren zurück
Der Empfang des evangelischen Kirchenkreises zum neuen Kirchenjahr stand im Zeichen Friedrich Raiffeisens.
In Zeiten, in denen ein Milliardär im US-Präsidentensessel die Welt in Atem hält, in Zeiten, in denen Statistiker jeden Tag aufs Neue belegen können, das Wohlstand sich zunehmend ungleich verteilt, in solchen Zeiten sind Alternativen gesucht. Dann stellt sich die Frage, warum vor 20, 30, 40 Jahren beispielsweise in der alten Bundesrepublik zumindest scheinbar alles weitgehend im Lot war, berechenbar, sortiert.
Das war die Zeit der Sozialen Marktwirtschaft. Wer mehr leistete, konnte sich mehr leisten, wer Bildungschancen nutzte, ging erfolgreich ins Leben. Aber irgendwann scheint auch die bundesdeutsche Gesellschaft falsch abgebogen zu sein. Teilhaben und Teilnehmen wird für immer mehr Menschen immer schwieriger. Auch und gerade in Städten wie Wuppertal.
Deshalb ging es am Donnerstagabend in der Citykirche in Elberfeld zum Beginn des neuen Kirchenjahres um Teilhaben und Teilnehmen, es ging um Genossenschaft, um die Idee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888), dass Gewinnmaximierung und Gewinnanhäufung nicht alles sein kann im Leben.
Genossenschaften sind
wieder auf dem Vormarsch
Raiffeisen war Kommunalbeamter, eines von acht Kindern seiner Eltern. Er hatte ein ausgeprägtes Gespür für Gerechtigkeit. Dieses Gefühl führte ihn zur Genossenschaftsidee. Alles gehört allen Beteiligten, alle tragen das Risiko, alle profitieren vom Erfolg. So funktionieren heute noch manche Baugesellschaften, beispielsweise die Allgemeine Wohnungsbaugenossenschaft. Sie vermietet in Wuppertal 2000 Wohnungen, hat mit zwei Prozent praktisch keinen Leerstand und nach Auskunft von Vorstand Michael Garnich ausschließlich zufriedene Mieter, die gleichzeitig Genossen sind. Garnich konnte von ausgeprägtem Gemeinsinn berichten, der dazu führt, dass die Genossen ihre Gewinne, immerhin vier Prozent pro Jahr und insgesamt etwa 40 000 Euro, restlos in die Genossenschaft investieren. „Wir konnten so zwei Ferienwohnungen kaufen, in denen unsere Mitglieder günstiger Urlaub machen können“, sagte Garnich.
In einer anderen, noch sehr neuen Genossenschaft ist Achim Pohlmann unterwegs. Er gehörte vor drei Jahren zu den Gründern der Sprint eG. Diese eingetragene Genossenschaft bietet Sprach- und Integrationsmittler an, also Dolmetscher und Kulturerklärer. Die in Wuppertal geborene Idee hat sich inzwischen zu einem Exportschlager entwickelt. In Bochum und Dortmund gibt es bereits Filialen. „Und in Berlin ist eine in Vorbereitung“, sagte Pohlmann. Die eG beschäftigte heute 70 Mitarbeiter in fester Anstellung.
Für Manfred Rekowksi, den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, ist Raiffeisens Idee vorbildlich, wenn Raiffeisen selbst auch kein strahlender Held war. Rekowski erinnerte an Antisemitismus, der auch im Erfinder des Genossenschaftswesens steckte. „Wir Protestanten neigen nicht zur Heldenverehrung“, sagte Rekowski. Die vorbildliche, soziale Leistung des Kommunalbeamten aus Hamm an der Sieg wollte der Präses damit jedoch nicht in Abrede stellen. Raiffeisens Ideen hingegen sind für den Präses ein Denkansatz für den Umbau der Landeskirche. Die ist aus seiner Sicht in ihrer Struktur nicht genügend zukunftsfähig organisiert.