Gedenken NS-Verbrecher stritten alles ab - Erinnerung an den Wuppertaler Auschwitz-Prozess

Wuppertal · Ehemalige Richter warfen einen Blick zurück. Die Gedenkstunde befasste sich mit der juristischen Aufarbeitung von NS-Verbrechen.

Wilfried Keiluweit (Richter Oberlandesgericht a.D), Norbert Koep (Vors. Richter Landgericht a D.), Journalistin Michaela Heiser, Wilfried Josej Klein (Vizepräsident Landgericht a.D.) und Andreas Brendel (Leiter Zentralstelle NRW) blickten auf die NS-Prozesse zurück.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Mit der juristischen Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus hat sich am Sonntag die Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus in der evangelischen City-Kirche befasst. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand dabei der Wuppertaler Auschwitz-Prozess im Landgericht, in dem der ehemalige SS-Unterscharführer Gottfried Weise (1921-2002) im Januar 1988 wegen fünffachen Mordes zu einer lebenslangen Haft verurteilt wurde. Rechtskräftig wurde dann allerdings nur die Verurteilung für zwei Mordtaten.

Die drei damaligen Berufsrichter – Wilfried Josef Klein als Vorsitzender Richter, Norbert Koep als sein Stellvertreter und Wilfried Keiluweit als Berichterstatter – erinnerten in einer Diskussion mit der Journalistin Michaela Heiser an den Prozess und seine Begleitumstände. Der Angeklagte Gottfried Weise, der als „Wilhelm Tell von Auschwitz“ bekannt geworden war, weil er einem jüdischen Jungen in dem Konzentrations- und Vernichtungslager drei Konservendosen von Kopf und Schultern geschossen hatte, war in Wuppertal wegen des Vorwurfs des fünffachen Mordes angeklagt worden. Einer der Toten war auch der Junge, dem Weise zuvor die Dosen heruntergeschossen hatte.

Der damalige Angeklagte sei „völlig unauffällig“ aufgetreten, erzählte der ehemalige Vorsitzende Richter Klein. Der Prozess sei sehr schwierig gewesen, weil es – über 40 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – keine sterblichen Überreste der Opfer gegeben habe. Die Identität der Opfer sei nicht bekannt gewesen, es hätte keine Angaben zu den Örtlichkeiten der Taten gegeben, zudem lagen auch keine Obduktionsberichte zu den Leichen vor, berichtete Klein. „Die Beweisgrundlage waren nur die Zeugenaussagen.“

Zudem machte der Angeklagte es dem Gericht nicht leicht und bestritt alle Taten. Das Gericht war deshalb ganz auf die Aussagen der knapp 30 Zeugen angewiesen. Um eine wichtige Zeugin aus Ungarn zur Fahrt nach Wuppertal zu überreden, fuhren die Berufsrichter nach Budapest und sprachen dort mit der Frau. Für die Zeugen, von denen viele durch die Erlebnisse in Auschwitz traumatisiert waren, arbeitete das Gericht mit der Stadtverwaltung zudem ein Besuchsprogramm aus und stellte ihnen hier Ansprechpartner zur Seite.

Ehemalige SS-Männer bestritten
die schweren Vorwürfe einfach

Die in dem Prozess aussagenden ehemaligen SS-Männer zeigten dagegen Korpsgeist und trugen bis auf zwei Zeugen nicht zur Erhellung der Vorwürfe bei. So hätten die ehemaligen SS-Männer alle Vorwürfe rundheraus bestritten und sogar behauptet, die Gefangenen hätten sich ihnen gegenüber provokant verhalten, sagte der frühere stellvertretende Vorsitzende Richter Koep. Einer erklärte, dass es im Lager „tote SS-Leute“ gegeben habe, die von den KZ-Insassen umgebracht worden seien. So viel Unverfrorenheit sorgte unter den Anwesenden in der voll besetzten City-Kirche für ungläubige Reaktionen.

Eine Einordnung zur Verfolgung von NS-Tätern in der Bundesrepublik gaben in ihren Reden die Präsidentin des Landgerichts Wuppertal, Annette Lehmberg, und der Historiker Michael Okroy. Lehmberg erinnerte daran, dass der Bundestag 1979 die Verjährungsfristen für Mord aufgehoben hatte. Ohne diesen Schritt hätte der Prozess gegen Gottfried Weise „nicht stattfinden können“, sagte sie. Deshalb gelte im Umgang mit NS-Verbrechen auch heutzutage noch: „Mord verjährt nicht! Das sind wir den Opfern schuldig.“

Oberbürgermeister Andreas Mucke verwies darauf, die Ereignisse der NS-Zeit als Mahnung für das Heute zu verstehen. Angesichts des Aufkommens des Rechtspopulismus in vielen Ländern müsse man Fremdenfeindlichkeit und der Ausgrenzung von Andersdenkenden entgegentreten. „Demokratie ist keine Zuschauerveranstaltung. Demokratie lebt vom Mitmachen.“