Gedenken „Ist es an der Zeit, das Land zu verlassen?“

Wuppertal. · Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg zur Pogromnacht vor 80 Jahren.

Leonid Goldberg, Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde, hielt einen eindringlichen Appell gegen Antisemitismus.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

Leonid Goldberg, Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde, wird nicht müde, seine Wuppertaler Mitbürger zu warnen und an ihre Verantwortung für ihre Mitmenschen zu erinnern. An jedem 9. November hat er das in den vergangenen Jahren im Rahmen der Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg öffentlich getan. Und seine Appelle in der Erinnerung an die Opfer der Reichspogromnacht vom 8. auf den 9. November 1938 werden von Jahr zu Jahr eindringlicher.

Forderte er vor zehn Jahren noch „Wachsamkeit“, so besorgt ihn inzwischen, dass in den jüdischen Familien wieder die Frage gestellt werde, ob es an der Zeit sei, das Land zu verlassen. „Es ist noch nicht die Mehrheit, die das tut, aber die Gedanken in der jüdischen Gemeinde sind da.“

80 Jahre ist es her, da wurden in Wuppertal und im Bergischen Land Synagogen, Gebetshäuser und Friedhofskapellen von den Nazis angezündet. „Nach dieser Nacht konnte kein Mensch mehr sagen, dass die Ankündigungen von Hitler nicht so gemeint waren, wie es gekommen ist“, sagte Goldberg. Dennoch habe die Sowjetunion bis 1941 Handel mit den Nazis betrieben.

Heute machten die EU und die Bundesrepublik Geschäfte mit dem Iran, der die Existenz des Staates Israel durch die Unterstützung von Terrorismus massiv bedrohe. „Wie oft können Menschen und Länder Fehler wiederholen? Es gibt nur einen Weg - und das ist der totale Wirtschaftsboykott gegen den Iran“, forderte Goldberg.

In Deutschland seien Juden nicht nur von rechtsradikalen Jugendlichen bedroht, sondern in vielen Fällen gehe der Hass von arabischen Jugendlichen, vom muslimischen Antisemitismus und von Clans aus. Die interreligiöse Zusammenarbeit sei wichtig, aber jede Gemeinde sollte mit realistischen Erwartungen an das Thema herangehen.

Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz sprach in diesem Jahr auch im Namen seiner bergischen Amtskollegen Andreas Mucke (Wuppertal) und Tim Kurzbach (Solingen). Der Remscheider Oberbürgermeister ging auf Tabubrüche in der deutschen Politik in der jüngsten Vergangenheit ein, ohne die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien und Politiker beim Namen zu nennen. „Dies in Stille hinzunehmen, wird unserer Verantwortung nicht gerecht. Wir müssen ein Klima des Protests dagegen setzen“, sagte er.