Wuppertal Flüchtlingskinder: „Schicksale, die uns beschäftigen“

Kita-Leiterin Katharina Kintzel über den Umgang mit Flüchtlingskindern in ihrer Einrichtung.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Die städtische Kita am Deckershäuschen l besteht aus vier Gruppen mit insgesamt 93 zwei- bis sechjährigen Kindern. Wie viele Flüchtlingskinder es darunter gibt, ist nicht eindeutig festzustellen. Laut Statistik kommen rund 25 von ihnen aus Krisengebieten.

Frau Kintzel, welche Herausforderung bringt die Betreuung dieser Kinder mit sich?

Katharina Kintzel: Wir erfahren jetzt viele Lebensgeschichten und Schicksale, die uns beschäftigen, von Menschen, die den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt haben, von einer Mutter, die ihr jüngstes Kind unterwegs bekommen hat. Einmal kam eine Mutter, um ihr Kind abzuholen, und sie hatte gerade erfahren, dass Familienangehörige im Mittelmeer ertrunken sind. Wir leiden oft mit. Wir Erzieherinnen haben auch schon mit Eltern geweint. Um das zu verarbeiten, müssen wir uns im Team intensiv um einander kümmern.

Zeigen sich die Erfahrungen im Verhalten der Kinder?

Kintzel: Ein Kind hält sich z.B. bei plötzlichem Lärm die Ohren zu, läuft auch aus dem Raum, wiegt sich und schreit. Er selbst hat wohl nichts Schlimmes erlebt, aber seine Eltern.

Was können Sie da tun?

Kintzel: Wir haben viel Erfahrung, Empathie, Geduld und unterstützen uns gegenseitig, um uns mit Kindern bei Bedarf in Ruhe zurück zu ziehen.

Wie gut sind Sie auf solche Situationen vorbereitet?

Kintzel: Ich habe an mehreren Workshops zum Thema „ Kinder mit Fluchterfahrung’ teilgenommen. Eine Familientherapeutin der städtischen Beratungsstelle für Kinder , Jugendliche und Eltern kommt regelmäßig in unsere Einrichtung, um die Eltern und uns zu beraten. Und nach jeder Fortbildung tragen die Kolleginnen ihr Wissen ins Team. Im September haben wir eine zweitägige gemeinsame Fortbildung, in der es um unterschiedliche Familienkulturen, um: Riten und Traditionen gehen wird.

Wie vermitteln Sie das Thema Flucht den anderen Kindern?

Kintzel: Wir machen es nicht ausdrücklich zum Thema. Aber wir antworten, wenn die Kinder Fragen stellen - warum ein anderes Kind so traurig ist, warum die Mutter eines Kindes so geweint hat. Dann erklären wir kindgemäß, dass es nicht überall so friedlich ist und man woanders hingeht, um seine Familie zu schützen.

Wie klappt es mit der Sprache?

Kintzel: Trotz unserer verschiedenen Sprachkenntnisse sind wir oft angewiesen auf die Hilfe anderer Eltern, die schon länger in Deutschland sind. Aber wir müssen uns auch oft neu verständigen über Erziehungsstile, erklären, welche Ziele wir verfolgen, und nachvollziehen, was den Eltern vielleicht selbst wichtig ist.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Kintzel: Manche Eltern ärgern sich, wenn die Kinder draußen schmutzig oder nass geworden sind. Wir erklären dann, dass wir vor dem Rausgehen die Kinder fragen, was wir mitnehmen. Die Kinder sollen lernen, zu entscheiden, dass sie vielleicht besser Gummistiefel anziehen. Ein anderes Beispiel ist das Essen: Eltern wollen, dass ihre Kinder alles aufessen, was sie ihnen mitgegeben haben. Wir überlassen den Kindern, wie viel sie essen.

Wie können Sie solche Konflikte klären?

Kintzel: Man muss es erklären. Auch wir vergessen manchmal, dass man bestimmte Dinge erst einmal verstehen muss. Oft gibt es Sprachbarrieren. Aber mit viel Humor kriegt man das hin.

Wie zufrieden sind Sie mit der Unterstützung durch die Stadt?

Kintzel: Gut ist, dass wir jederzeit Ansprechpartner haben. Wir können uns immer an Frau Weidenbruch (Leiterin des Kita-Stadtbetriebs), die Bezirksleiterin und an das Ressort Zuwanderung wenden, wenn wir Fragen haben.

Was würden Sie sich noch wünschen?

Kintzel: Manchmal bräuchten wir ganz schnell einen Dolmetscher, um Missverständnisse aufzuklären. Und regelmäßige Team-Supervisionen wären wunderbar.