Traditionsfest Garnbleicher demonstrieren ihr fast vergessenes Handwerk in Wuppertal

Wuppertal · Auf dem Rossmarkt spielen Pferde kaum noch eine Rolle, trotzdem gab es viel zu erleben.

Alte Handwerkskunst stand bei dem Langerfelder Rossmarkt im Mittelpunkt des Interesses.

Foto: Matthi Rosenkranz

„Entschuldigung, wollen Sie auch zum Rossmarkt?“, fragte am Bushalt „Am Timpen“ ein Paar mit zwei Kindern. Die Angesprochene, gleichfalls mit Kleinkind und Baby unterwegs, wollte natürlich - und wies hier, unweit vom Langerfelder Markt, gern den Weg. Groß war im Quartier der Zuspruch zum Traditionsfest, auch kaum zwei Tage nach dem Solinger Angriff - und nach lockerem Anstieg durch die Allee herrschte schon zur Eröffnung auch auf der Festwiese frohgemuter Betrieb.

Ausgespart blieben die Umstände keinesfalls: „Wir sind betroffen, dass Menschen ihr Leben lassen mussten“, formulierte Margret Hahn, Vorsitzende des Langerfelder Bürgervereins, bei der Begrüßung vor dem evangelischen Gemeindehaus. Bürgermeister Rainer Spiecker, der das Fest dann offiziell eröffnete, las das Hiersein der trotz allem zahlreichen Besucher als „Bekenntnis“ – zur Freiheit, gar zur „Demokratie“: „Es ist ganz toll, dass Sie alle hier sind.“

Klassisch-würdevoll bot erst ein Hörnerkreis einen musikalischen Auftakt, eine mehrstimmige Combo mit Bläsern inklusive Tuba schloss sich schwungvoll an. Auf der Festwiese gegenüber stand da schon alles in den Startlöchern, was dann den ganzen Tag für Vergnügen sorgen sollte - vom Ballonclown bis zu Ponys. Mit gespannten Kindern auf dem Rücken schritten die Tiere gemächlich ein Teilareal der Wiese ab.

Mit mehr Bewusstsein für tödliche Gefahren von Alkohol am Steuer warb der Verein „Go Pink for Life“ für ein ernstes Anliegen. An einem Mitmachstand versuchte sich ein Mädchen konzentriert am Töpfern. Auch zum Stöbern und Erwerben gab es eine Menge, vom Kissen bis zum Fotodruck. Rudi Reinhard hatte seine Urlaubsaufnahmen, etwa aus der Bretagne, imposant in alten Fensterrahmen arrangiert: „Im Raum Ennepetal stand davon einmal eine große Zahl zum Verkauf“, erzählte er, „da habe ich mich gleich eingedeckt.“

Kreatives fand sich auch drinnen im Gemeindesaal: Filzwesen, Schmuck oder Stofftäschchen waren nur einige der Produkte, die hier auf Käufer warteten. Im Haus gab es auch Kuchen und Waffeln, draußen brachten der Grillpavillon der Feuerwehr dem Speisenangebot beim Fest ebenso deftige Varianten wie der Stand mit Gulasch- und Käse-Lauch-Suppe.

Von etwaigem Pferdehandel früherer Zeit fand sich beim „Rossmarkt“ zwar mit dem Ponyreiten nur eine recht schmale Reminiszenz. Breit und anschaulich vertreten war dagegen eine Tradition handwerklicher Art, eine einst „fürs Wuppertal“ typische - und heute überdies mit Folgen für einen führenden Kopf der Stadt: Die Kunst der Garnbleiche fand auf der Festwiese eine eingehende Vorführung.

Andreas Volkmann von den „Langerfelder Garnbleichern“ hatte vorab einige Herren, wie er selbst in alte Tracht der Zunft gewandet, mit den Details jener Kunst vertraut gemacht, die in der Textilindustrie in Tal und Region einst einen bedeutsamen Teil ausgemacht hatte. Rasch instruiert, ging der Trupp dann ans Zeigen, von Jung und Alt gespannt verfolgt - vom groben Flachs hin zu filigranen Leinenfäden.

Flachs-Sträuße durchlaufen verschiedene Stadien

Wie bei der „Show“ ließ der recht aufwändige Hergang sich auch ganztags am Stand von Gerhard Constapel gut nachvollziehen: Säuberlich gereiht zeigten die Flachs-Sträuße auf einem Tisch die verschiedenen Stadien - vom wild-unansehnlichen Zustand direkt nach Abschnitt, dem dann mit mancherlei Aktion von Kämmen bis „Hecheln“ (etwa vorstellbar als Schütteln) abgeholfen wurde. Hernach ging es eben zum Bleichen auf den Wupperwiesen unter der Sonne: „Im Grunde war das ein chemischer Prozess“, stellte Constapel fest, Oxidation nämlich, und fügte später an: „Es war daher eine Saisonarbeit.“ Logisch: Im Winter hätte es mit dem Bleichwerden wohl kaum je geklappt - auch wenn über die wochenlange Ablagezeit am Flussufer demnach regelmäßig Chemikalien den Licht-Effekt verstärkten.

Am Ende stehen, lernte man, sollte ein feines, sorgsam gesäubertes Produkt, damit es zum guten Preis verkauft werden konnte - auch etwa nach Flandern für kostbare Tuche. Und zwischen Feld und „Flandern“ stand heute gewissermaßen Rainer Spiecker: Der besagt „führende Kopf“ bot in der Tat sein bürgermeisterliches Haupt samt wohl so einiger Anstrengung, hatte er sich doch als (vielleicht nicht ganz) „Freiwilliger gemeldet“, so „Bleicher“ Volkmann maliziös.

In wahren Bergen ließ sich Spiecker den derben Flachs über den Leib bis hoch zur Stirne schichten - undankbar war gewiss schon der historische Job gewesen, so beladen zur Wupper zwecks Bleichens zu traben: „Wittkopp“, war zu hören, hieß damals diese Art Arbeiter - „Weißkopf“. Wobei das Gestrüpp im Moment von Spieckers Einsatz noch eher braun bis gräulich war: Das „erhellende“ Bleichen stand ja erst noch bevor.